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Du kannst doch nicht einfach so gehn – Nachruf für Carsten Görner
Du kannst doch nicht einfach so gehn – Nachruf für Carsten Görner
in Bands, Musiker, Musikstile 24.11.2019 12:06von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Am 7. November 2019 verstarb der Musiker Carsten Görner nach schwerer Krankheit.
Unser Freund Jens Kurze (auch bekannt als Musiker und Forenmitglied Tom's Daddy) hat einen persönlichen Nachruf verfasst und mich gebeten diesen hier zu veröffentlichen.
Vielen Dank, lieber Jens.
Du kannst doch nicht einfach so gehn – für Carsten Görner
Es gibt Stimmen, die lassen einen ein Leben lang nicht los. Carsten Görner hatte so eine. Und nun komplettiert auch er die Super Group, die sich so nach und nach da oben im Himmel versammelt...
Manchen von euch sagt der Name vielleicht nichts, andere erinnern sich aber an die Gruppe Drei.
Ich habe Carsten zum ersten Mal gehört, da war ich noch in der Singebewegung der FDJ aktiv. Im Oktoberklub sang einer das Lied „Ich sing den Frieden“ - eine großartige Komposition, eine faszinierende Stimme! Das war Carsten Görner, der gemeinsam mit Tonio Ruschin das Stück auch komponiert hatte. Was hätte ich gegeben, so singen zu können! Meine Gesangsstimme war und ist ziemlich geradeaus, ohne große Schnörkel. Carsten dagegen hatte diese Wärme und ein unverkennbares, langsames Vibrato. Später dann zuweilen auch noch etwas kratzig, manchmal etwas „laid“ - das hat mich immer fasziniert.
Es ist ja bekannt, dass Thomas Natschinski auf mich einen großen musikalischen Einfluss hatte ( und hat ). Also interessierte mich auch, was nach Team 4 und Thomas Natschinski & seine Gruppe passierte. Bekanntlich entstand als Nachfolgeband die Formation Brot & Salz, von denen ich einige Songs in einem Archiv habe, die mir auch heute noch gefallen. Die Band zerfusselte sich allerdings leider irgendwann, und Ingo Koster gründete mit Burkhard Neumann und Carsten Görner die Gruppe DREI. Das war für mich als Fan von mehrstimmigem Gesang natürlich total interessant, der Kontakt zu Ingo Koster war schnell hergestellt, so richtig mit Briefeschreiben und Mal- Hinfahren, Telefon hatte ich nicht.
Das war zudem die Zeit, als ich nach der Band aus der Studium-Zeit solistisch oder im Akustik-Gitarren-Duo unterwegs war mit Liedern von Simon & Garfunkel, den Everly Brothers oder den Beatles. Songs von den Eagles oder Crosby Stills Nash & Young wurden von uns auf zwei Stimmen und zwei verschieden gestimmte Gitarren umgeschrieben und mit viel Herzblut zelebriert. Das war übrigens auch die Zeit, als die Leute noch zugehört haben, in den Studentenclubs saßen sie auf umgedrehten Milchkästen, zwei kleine 25-W-Aktivboxen reichten uns aus... In der Rostocker Sport & Kongresshalle gab es damals auch die Großveranstaltung „RoGo- Rostocker Goliath“, wir hatten „Mitwirkenden-Ausweise“ und konnten so nicht nur ein Bierchen trinken, sondern mit den Profi-Musikern in der Künstler-Mensa plaudern oder uns Tipps abholen. Ich lernte zum Beispiel von Gisbert „Pitti“ Piatkowski das Gitarrenintro von „Good bye alte Zeit“, jammte mit Reinhard Fissler Beatles-Songs, denn wir spielten eine ähnlich perkussive Gitarrentechnik… aber das wäre eine eigene Geschichte...
Bei einem Pressefest erlebte ich die aufgestockter Version der Gruppe Drei – die DREI BAND (mit bereits erwähntem Tonio Ruschin an den Keyboards und Micha Behm am Schlagzeug ) - was für eine Gänsehaut! Ich erinnere mich wie heute, dass ich dort zum ersten Mal „Seven Bridges Row“ (im Original von den Eagles) hörte – unfassbar, was für ein perfekter Satzgesang!
Bei den Rundfunkaufnahmen mochte ich die mit Carstens Stimme immer am meisten, und auch heute noch höre ich Lieder wie „Erwartung“, „Halt mich fest“, „Der Krieger“ oder „Der sanfte Orkan“ unheimlich gern.
Im Jahre 1987 trennten sich leider die Wege der Gruppe Drei aus verschiedenen Gründen, Burki und Ingo arbeiteten mit Gaby Rückert als „Little Boat“ weiter. Diese Zusammenarbeit mochte ich sehr und habe etliche Konzerte besucht. Ich lernte sie nicht nur als großartige Musiker kennen, sondern als äußerst sympathische Menschen. Der Kontakt zu Gaby und Ingo besteht heute noch, und wenn sie in der Nähe im Duo auftreten, schaue ich ganz gern mal vorbei.
Carsten versuchte es als Solist und arbeitete später als Musiklehrer und in den Valicon-Studios.
Von seinen Solo-Titeln hatte ich allerdings medial nichts mitbekomme.
Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Carsten und ich den letzten Kontakt dank der elektronischen Medien, als ich Näheres über die „Ostkreuz“-Zeit (also 1975 bis 1977) wissen wollte. Er schrieb viele lustige und teilweise lakonische, aber auch nachdenkliche Zeilen.
Zur Solo-Zeit bemerkte er:
„Ich war lange krank und musste 1987 für ein paar Wochen ins Krankenhaus, wo ich sehr viel Zeit zum Nachdenken hatte. Die Zusammenarbeit mit Gaby beruhte auf einem Deal, der sich nicht, wie geplant, umsetzen ließ, und so wurden wir tatsächlich zur Begleitband. Das wollte ich nicht. Außerdem gab es nach zehn Jahren „Aufeinanderhängen“ ein paar Unstimmigkeiten innerhalb der Band, die ohnehin mindestens eine Pause erforderlich gemacht hätten. Die Solo-Karriere war die einzige Alternative, ich war zwanzig Jahre aus meinem Beruf raus. Viele Veranstalter und Kulturmanager rieten mir dazu. Ingo Politz hat mit mir einige sehr gute Songs produziert, und es lief für mich alles nahtlos weiter mit Live- Auftritten, Radio, TV etc. Aber eine Erfahrung für mich in der Zeit war, dass ich diese Einsamkeit nicht mag. Ich würde es nicht noch einmal tun.“
Carsten durchforstete sein Archiv und stellte mir eine Sammlung mit Aufnahmen zusammen, die neben Aufnahmen der Gruppe Drei und einige mir völlig unbekannte aus seiner Solo-Zeit beinhaltete. Außerdem legte er für mich überraschend die Mini-CD „Comeback-Die Drei“ aus dem Jahr 2000 (Carsten Görner, Burkhard Neumann, Vlady Slezak / ehem. Cantus -Chor) mit dazu. Ich fand die richtig gut, ich wusste davon allerdings überhaupt nichts! Er schrieb dazu: „Produzenten waren Willy Klüter und Gotte Gottschalk. Die Texte waren von Bernd Meinunger, der die Produktion auch finanziert hat. Ich denke, es kam was Gutes dabei ´raus…aber, wir fanden keinen Manager, und wir verstehen was von Musik, aber leider nichts vom Klinkenputzen…“.
Auch das folgende Duo-Projekt AVALON (Görner /Slezak) war nur Insidern bekannt.
Carsten arbeitete weiter als Musiklehrer und im Valicon-Studio (Ingo Politz, Bernd Wendlandt).
Gedankenpause. Carsten, wir sind uns leider nie wieder persönlich begegnet.
Auf der „Comeback“- CD ist auch das echt stimmige Lied enthalten, das ich als Eingangszitat benutzt habe, „Du kannst doch nicht einfach so gehn“ - Carstens Stimme, so wie ich sie nie vergessen werde. In meinem Probenraum hängt ( etwas blass geworden, aber hinter Glas ) ein handsigniertes großes Bild der Gruppe Drei, das entstammt einer Rückseite der Zeitung „FF-Dabei, auf meinen alten, bewährten Hifi-Boxen prangt neben der Hochton-Kalotte der Aufkleber der Band DREI. Da schaue ich jeden Tag drauf.
Machs gut, Carsten – vergessen bist du nicht!
Jens Kurze November 2019
RE: Du kannst doch nicht einfach so gehn – Nachruf für Carsten Görner
in Bands, Musiker, Musikstile 24.11.2019 21:30von genitiv64 • | 196 Beiträge | 450 Punkte
Ich habe Drei, egal in welcher Form, nicht live erlebt. Kannte nur aus dem Rundfunk, was die so machen. Das hat mir damals mehr als nur gefallen. Ganz besonders "Maikäfer such ich nicht mehr". Da habe ich mir von einer aus der Bibliothek geholten LP den Text abgehört und versucht, den Song holzgitarrenmäßig wieder zu geben. Und auch "Goldsucher", "Du" und "Mal verreisen", waren Songs, die mir jetzt noch einfallen, ohne zu recherchieren. Heute ärgere ich mich, mir damals keine "Ost" LP´s gekauft zu haben. Denn auch von Drei gab es eine LP und ich glaube einen Beitrag auf so einer Kleeblatt LP. Da bin ich hinter jeder Lizenz-LP hergerannt. Jetzt weiß ich, das die heimischen LP´s ein Potential hatten, das sucht seinesgleichen. In diversen An- und Verkäufen findet man die Schlager LP´s ohne Ende, die wirklich Guten sind da aber nicht zu finden. Um aber jetzt zum Schluß zu kommen, es gibt eine Neil Young Cover Band im Erzgebirge, "Pusteblume". Das sind Geschwister. Die betreiben in Glauchau auch die "Alte Spinnerei", ein Veranstaltungsort, den man sich merken sollte. Die haben schon zu Ostzeiten den Maikäfer gecovert, auch zu finden auf einer CD von Pusteblume. Das sagt doch etwas über "Drei" aus. Für mich sind Drei, wie sagt man es so schön auf englisch, eine der most underrated Bands der DDR.
Es ist traurig zu hören, das wieder ein Potagonist der Szene gegangen ist. Deshalb sollte man nicht zögern, die Konzerte der noch Lebenden zu besuchen, und nicht auf später verschieben, denn dann könnte es zu spät sein.
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