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HofBlues mit JESS, CHRIS HARP BLUESBAND, Peter Schmidt (EBE) am 19. September 2020 in Liebon
HofBlues mit JESS, CHRIS HARP BLUESBAND, Peter Schmidt (EBE) am 19. September 2020 in Liebon
in Konzertberichte 2020 und 2021 01.10.2020 19:27von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Ich bin in der Gegend geboren, aber ich war bisher nie in Liebon. Ich wohne tatsächlich nur 8 Kilometer entfernt von diesem wohl kleinsten Dorf der Oberlausitz. Liebon liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen Bautzen und Kamenz unweit der Staatsstraße 100, die bei uns nur Kamenzer Straße heißt.
Obwohl Liebon ein Ortsschild hat, besteht das Dorf lediglich aus einen alten Vierseitenhof (manche sagen auch Vierseithof). Jahrzehnte bzw. sogar Jahrhunderte schlief das Dorf landesweit und global gesehen den Schlaf der Gerechten. Das änderte sich im Jahr 2009.
Für kurze Zeit stand das kleine Dorf Liebon im Mittelpunkt der „Weltgeschichte“. Die damaligen Besitzer setzten den Hof auf der Verkaufsplattform ebay für 300 000 Euro zum Verkauf an. Ein kirchlicher Orden oder eine Sekte interessierte ich für das Anwesen. Der Verkauf scheiterte aber an den fehlenden Barmitteln des Interessenten. Die Medien sprangen auf die Sache auf und berichteten in Funk, Presse und Fernsehen. Ganz vorne dabei die „Qualitätsmedien“ wie die Zeitung mit den 4 großen Buchstaben. Nach ein paar Tagen versank Liebon wieder in der Ruhe und Abgeschiedenheit.
Der Dresdner Unternehmer Andreas Reithmann erwarb Liebon im Jahr 2012. Sein Traum von einem autarken Leben in einem nachhaltigen Dorf nahm damit langsam Gestalt an. Heute ist der Vierseitenhof in Liebon ein nachhaltiges Mehrgenerationendorf. Das Anwesen kann sich fast vollständig selbst mit Energie aus Sonnenwärme/Solarstrom versorgen.
Reithmann hat auch ein Herz für die Kultur und deshalb fuhr ich am frühen Abend des 19. September 2020 nach Liebon. Der Verein Hofkultur Liebon e. V. lud zum Hof Blues mit 3 Bands und das auch noch bei freiem Eintritt.
Man braucht nicht viel für so ein Konzert, außer Enthusiasmus, Geld und helfende Hände. In Liebon wurde auf der grünen Wiese eine Holzbühne errichtet, ein Schankwagen und ein Grill für die Versorgung aufgebaut und ein paar Sitzgelegenheiten in Form von Biertischgarnituren bereitgestellt. Natürlich wurde auch auf die Corona-Regeln und das Hygienekonzept geachtet.
Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute zu einem Konzert in diese Einöde kommen würden. Ich bin ein schlechter Schätzer, aber 150 oder mehr könnten es schon gewesen sein. Das zeigt, dass das musikalische Angebot für Bluesfans sehr attraktiv war und dass die Menschen auch ausgehungert nach der Musik ihrer Jugend waren. Corona hat das Angebot an guten Muggen heuer leider sehr eingeschränkt.
Die Blueser sind für mich hier im Osten die treuesten und mobilsten Fans, die ich kenne. Ihnen ist kein Weg zu weit für ein paar Stunden mit Gleichgesinnten, Bier und guter Livemusik im Saal eines alten Dorfgasthofs, in einem Biergarten oder auf einem der einschlägigen open airs.
Viele von ihnen sind schon seit den Zeiten der Blueser, Tramper und Kunden Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts unterwegs. Ich denke, dass Blues und der regelmäßige Besuch von Konzerten mit allem Drumherum für viele Menschen aus der Szene auch ein Lebensgefühl verkörpern.
Die im Herbst 2010 gegründete Rock- und Bluesband JESS eröffnete den Abend. Ich möchte aber zuvor noch anmerken, dass alle 3 Bands/Musiker in Liebon ungefähr die gleiche Spielzeit bekamen. Jede Truppe durfte dem Publikum ungefähr eine Stunde einheizen.Ich hatte Jess schon mal gesehen und deshalb wusste ich ungefähr, was mich erwartete. Uns stand eine feine Rock- und Blues-Covermugge bevor.
Die Band wählte als Auftakt „Mighty Quinn“ von BOB DYLAN. Er schrieb das Lied 1967. Aber erst die MANFRED MANNS EARTHBAND machte die Nummer zum Welthit und damit zur Goldgrube. Unter anderem war das Lied auf Platz 1 der Charts in Deutschland und Großbritannien und in weiteren Ländern in den Top ten. JESS legten in ihre Interpretation etwas mehr Rock in Richtung Gotthard rein.
JESS, der Name könnte sonst etwas bedeuten. Zum Beispiel könnte sich dahinter eine YES-Coverband verbergen. Aber die Erklärung ist ganz einfach. Die Gruppe stammt aus der zur Gemeinde Niederau gehörigen Ortschaft Jessen, Das soll die Erklärung für den Bandnamen sein. Übrigens ist dieses Jessen nicht mit anderen Ortschaften gleichen Namens, wie beispielsweise Jessen/Elster, zu verwechseln.
Die Band rockte mit absoluter Spielfreude und spielte nicht einfach nur so ihren Stiefel runter. Da spürte man die Liebe und die Lust zur Musik. So etwas mag ich besonders.
Mit „Before You Accuse Me“ von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL rockte die Band gleich munter weiter. Übrigens hatte CCR das Ding 1970 auch nur gecovert und zwar von BO DIDDLEY. Der Bluesmusiker DIDDLEY schrieb und veröffentlichte den Song bereits 1958. Apropos CCR. Die Band existierte nur fünf Jahre. Aber sie hat mit 5 oder 6 Alben und Hits wie „Hey Tonight“, „Have you ever seen the Rain“, „Bad Moon Rising“, „Down on the Corner“, „Proud Mary“ oder „Who’ll Stop the Rain“ tatsächlich Rockgeschichte geschrieben.
Bei JESS standen auch in Liebon wieder gestandene Musiker auf der Bühne, auch der Sound dieses Ensembles ist nicht von schlechten Eltern gewesen. Die Männer verstehen ihr Handwerk und beherrschen auch ihre Instrumente. Das hat ordentlich gerockt und gebluest.
Bassist/Sänger Ingo Schneider, Keyboarder Wolfgang, Schlagzeuger Peter sowie die Gitarristen/Backroundsänger Stefan Alban und Hanno machten ordentlich Betrieb. Das Publikum nahm diesen Auftakt der Hof Blues in Liebon auch sehr dankbar und begeistert an.
Das vom Alter her jüngste JESS-Bandmitglied ist, Basser Ingo Schneider. Außerdem ist er als gebürtiger "Fischkopp“ auch der Quoten-Ausländer der Band. Der Mann machte einen guten Job als Sänger und Bassist.
Den Freiluftkonzertladen in Liebon heizten die Männer von JESS für die nachfolgenden Kollegen jedenfalls richtig gut an. Zum Beispiel auch mit „Trush“, einem kräftigen und furztrockenen Texas-Blues von ZZ TOP.
Da wir gerade so schön bei Texas waren, schoben die JESSianer gleich noch „T for Texas“ hinterher. Wir kennen die Nummer ja zum Beispiel von LYNYRD SKYNYRD. Aber auch die Southern Rocker hatten sich die Nummer nur von JIMMI RODGERS ausgeborgt. Der Song stammt nämlich von ihm und stammt aus dem Jahr 1928.
„Rockin‘ in The Free World“ ist ein Rocksong von NEIL YOUNG, der ordentlich mitreißt und knallt. Wenn dieser Titel erklingt, zucken Beine und Stimmbänder von ganz alleine. Auch JESS gab uns bei „Rockin‘ in The Free World“ ein volles und unwiderstehliches Brett geiler YOUNG-Mugge.
Noch etwas Südstaaten-Rock von der Band mit den 4 Y im Bandnamen, LYNYRD SKYNYRD, folgte mit "Call Me The Brezze“. Auch der grandiose AC/DC-Blues "The Jack" wurden frisch aufbereitet und wohlklingend serviert.
JESS verabschiedete sich mit dem treibenden, musikalischen Feuerwerk „Jumpin‘ Jack Flash“ von den unkaputtbaren ROLLING STONES.
Der musikalische Bluesreigen wurde nach einer kurzen Technikpause mit der CHRIS HARP BLUESBAND aus Dresden fortgesetzt. Die Blues-Suppe wurde nun richtig deftig und das lag nicht nur an den namensgebenden Bluesharps von Chris Harp, der beim ersten Song „Help Me“ die rhythmische E-Gitarre spielte.
Es ist fast ein Jahrzehnt her, da erlebte ich den Mann mit seiner ganzen Batterie an Bluesharps bereits mit der Band WASTEWATER bei unseren Freunden vom Verein QUERFORMAT e. V. in Dresden-Prohlis. Damals hieß er noch bürgerlich und schlicht Christian Gnoss. Von damals wusste ich noch, dass Chris, seine Mundharmonikas und eine spielfreudige Band zusammen ein wahres Bluesgewitter befeuern können.
In Liebon löste die CHRIS HARP BLUESBAND einen regelrechten Bluesrocktornado aus. Mit dem bereits von vielen Künstlern gecoverten „Hi-Heel Sneakers“, welches im Original von TOMMY TUCKER und aus dem Jahr 1964 stammt, blies der Harmonikamann Chris mit seiner Band zum Sturm auf die Ohren und Herzen der Fans. Die Eroberung war äußerst erfolgreich, so viel kann ich jetzt schon sagen. Da ich auch im Jahr 1964 das Licht der Welt erblickte, kann ich ohne Übertragung sagen, dass dieser Jahrgang ein ganz besonderer Jahrgang ist.
Die CHRIS HARP BLUESBAND musste sich wegen dem einen oder anderen Besetzungswechsel in der Vergangenheit mehrmals neu zusammenraufen. Mein Eindruck ist, dass die Sache jetzt ordentlich passt.
Man sieht sich oft zwei Mal oder öfter im Leben. Das gilt für mich auch bei Gitarrist Sebastian Belke, den ich bereits seit dem Jahr 2007 mehrmals mit der Band 7IEBEN und später auch mit CRAYFOX erleben konnte. Ich mag den Kerl und seine Art zu „gitarrieren“. Bas(-s-)ti ist ein sehr sympathischer Mensch. Außerdem ist er ein sehr banddienlicher Saiten-Artist, der auch das richtige Händchen und vor allen die richtigen Fingerchen für ein ordentliches Gitarren-Solo hat.
Die Band fischte weiter in den Gewässern des Blues/Bluesrocks und hatte mit „Just Your Fool“ einen guten Fang gemacht. Das Lied aus den 60er Jahren geht auf die Kappe von LITTLE WALTER. Sogar die ROLLENDEN STEINE fanden einst Gefallen an der Nummer.
Mit Nicole Schimkowiak hat die CHRIS HARP BLUESBAND eine sehr gute Sängerin in ihren Reihen. Sie singt seit Jahren auch schon beim Dresdner Gospelchor THE GOSPEL PASSANGERS. So fremd sind sich afroamerikanischer Blues und Gospel ja auch gar nicht. Der Gospel hat sich schließlich auch unter anderem aus Jazz und Blues entwickelt.
Nicole hat von dort ein ziemlich gutes Rüstzeug als Sängerin mitgebracht. Ihre kräftige, leicht samtige Stimme kommt bei diesem Blues/Bluesrock-Gemisch der deftigeren Gangart sehr gut zur Geltung. Sie hat eine angenehme Bühnenpräsenz und ihr Ausdruck sowie ihre Bewegungen sind auch nicht übertrieben. Kurz gesagt, das passt schon so.
Die Rhythmus-Sektion der Dresdner Bluesband besteht aus Bassist Thomas Hentzschel und Schlagzeuger Martin. Die beiden Herren lieferten eine solide Basis für das Gesamtklanggewitter der CHRIS HARP BLUESBAND.
Neu für mich war auch, dass Gitarrist Sebastian auch als Duett- und als Hauptsänger fungieren kann. Das tat er nämlich beim Hof Blues in Liebon.
Bei der FREDDIE KING-Nummer „I `m Tore Down“ teilte er sich die Gesangsarbeit noch mit Nicole. Bei „Walking by Myself“ war er mal kurz der alleinige Chef im (Gesangs-)Ring. Gut gemacht, Basti.
So ist das, wenn das Programm eines kleinen Festivals weitergehen muss. Die jeweilige Band auf der Bühne hat nicht viel Zeit ihren Erfolg zu genießen. Die Show sollte ja mit den nächsten Künstlern weitergehen. Deshalb hier noch einmal öffentlich der CHRIS HARP BLUESBAND ins Stammbuch geschrieben: Toller Auftritt, sehr geehrte Dame und sehr geehrte Herren! Diese Band werde ich auch nicht das letzte Mal gesehen haben.
Die Uhr tickte und nach wenigen Minuten standen Peter Schmidt und Adrian Dehn auf der Bühne. Beide sind gestandene Musiker, hervorragende Gitarristen und sie spielen sonst gemeinsam in der legendären EAST BLUES EXPERIENCE. Mit Peter und Adrian durften wir Ausnahmegitarristen zweier Generationen erleben.
Peter Schmidt war einst bei der Potsdamer Bluesband HANDARBEIT. Um die Wendezeit wechselte er zur INTERCITY BLUESBAND mit Alexander Blume. Doch bereits 1990 gründete er die Band, welche heute schon eine Legende ist. Wir reden von der EBE und die existiert mit einigen Besetzungswechseln und Unterbrechungen bis heute. Die aktuelle Bandbesetzung der EAST BLUES EXPERIENCE Mit Peter Schmidt, Adrian Dehn, Jäcki Reznicek, und Ronny Dehn bringt schon Freude und Power in jede gute Konzertstube. Da bleibt vor Begeisterung kein Fan-Auge trocken. Lieder fiel die EBE-Tour 2020 erstmal auch dem Virus C zum Opfer.
Adrian Dehn kennen wir von seiner Band THE WHITE DUKES (heute CIRCUS ELECTRIC) und von seinen Auftritten mit DRIFTWOOD HOLLY. Der Kerl ist gerade mal Anfang 20 und zockt die Saiten schon wie ein abgefuckter Gitarren-Profi. Da klappt nicht nur uns Fans manchmal die Kinnlade runter, sondern auch manchen Kollegen.
Peter und Adrian haben es uns mit den Saiten beim Hof Blues Liebon wirklich ordentlich gegeben.
Sie spielten ihre Instrumente mit einer Fingerfertigkeit und einem Gespür für den richtigen Zeitpunkt, dass jeder Fachmann staunen und wir Laien uns nur wundern konnten. Sie spielten sich durch die Bluesrockgeschichte und wechselten dabei die Musikstile wie nichts.
Ich sag es mal so: viel hätte nicht gefehlt und ich hätte mich ehrfürchtig und demütig vor der Bühne niedergekniet, weil es so eine geile Gitarren-Messe war.
Peter Schmidt würzte diese Lehrstunde der Stromgitarren-Lehre zwischendurch mit coolen, zum Teil selbstironischen Sprüchen. Er erinnerte aber auch an Jörg „Speiche“ Schütze, dem Gründungsmitglied und Bassisten von MONOKEL, der leider am 31. Mai 2020 seinen letzten Weg ging. Auch das gefiel mir sehr gut.
Peter stand während der „40 Jahre Monokel-70 Jahre Speiche“-Tour“ 2016 sowie bei Konzerten von SPEICHES M im Jahr 2017 und 2018 noch gemeinsam mit Speiche auf der Bühne.
Auch diese beiden Könner der Stahlsauten- und Stromgitarren-Artistik hielten sich genau an den Zeitplan und beendeten ihren Auftritt pünktlich.
Mittlerweile wurde es schon ziemlich frisch und ich beschloss aus diesem Grund auch aus Gesundheitsgründen ausnahmsweise mal auf die angekündigte Session alle Musiker zu verzichten. Aber schon die gut 3 Stunden Mugge, die ich bis dahin schon erlebt hatte, waren ein Fest für die Lausch-Sinne und haben mir viel Freude bereitet.
Danke an die Leute von Hofkultur Liebon e. V., die beteiligten Bands, Techniker und Helfer sowie die versammelte Fangemeinde für die schönen Stunden. Es wäre super, wenn solche Muggen hier zu einer Tradition führen würden. Ich wäre gern mal wieder dabei, wenn in Liebon bluesig aufgespielt würde.
Gruß Kundi
Fotos JESS Teil 1
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