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STEINLANDPIRATEN am 12. Juli 2020 @ Kultur am Pavillon in Dresden
STEINLANDPIRATEN am 12. Juli 2020 @ Kultur am Pavillon in Dresden
in Konzertberichte 2020 und 2021 18.08.2020 15:21von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Am Sonntag, den 12. Juli im ersten Jahr der Pandemie mit dem Namen Corona vergnügte ich mich wieder mal als Sonntags(-muggen-)fahrer und das auch noch bei schönsten Sonntagswettersowie zur nachmittäglichen Kaffeezeit. Statt meinen Platz an der Kaffeetafel im heimischen Garten einzunehmen, wählte ich die Sitzposition hinter dem Steuer meines Benzinvehikels CEEDrik. Das Koffeingetränk ging jedoch im Thermobecher mit auf die Reise. Ab ging die Fahrt über Landstraßen nach Dresden. Unweit der Albertbrücke kamen wir am Straßenrand zum Stillstand.
Das zarte Pflänzchen Kultur in Form von Livemusik wächst immer noch jeden Sonntag von 16.00 – 17:00 Uhr auf der Neustädter Seite der Dresdner Albertbrücke. Dort ist bekanntlich ein kleiner Pavillon, welchen man von der Brücke aus über eine Treppe oder vom schön gestalteten Rosengarten aus kommend, in wenigen Schritten erreicht.
Das kleine Livespektakel hat auch schon einen Namen, und zwar Kultur @ Pavillon. Jeden Sonntag gibt es dort 1 Stunde lang Livemugge und jedes Mal treten andere Künstler auf. Dabei präsentieren sich die Musiker aus dem Pavillon mit dem gebotenen Abstand den extra erschienenen Zuhörern und/oder den vorbei gehenden Fußgängern, den Radfahrern oder Inlineskatern. Platz genug, um voneinander Abstand zu halten, ist auch ausreichend vorhanden. Bei schlechtem Wetter zieht man auch schon mal unter die Albertbrücke um, damit das Publikum nicht im Regen stehen muss.
Diesmal hatten sich die STEINLANDPIRATEN aus Berlin zu diesem „Sonntagskaffee-konzert“ angesagt. Ich freute mich tierisch das aus Patricia „Patti“ Heidrich (Gesang) und Karsten Schützler (Gitarre, Gesang) bestehende Duo hier erleben zu dürfen. Beide spielen sonst gemeinsam mit weiteren Musikern in der Band UNBEKANNT VERZOGEN.
Aber hier geht es ja um die STEINLANDPIRATEN. Die Elbe im Blick, Sonnenschein, blauer Himmel und ein paar weiße Wattewölkchen am Himmel -Herz, was willst Du mehr? Natürlich etwas Kultur an der schönen frischen Luft. Zum Glück braucht es dazu nicht immer einer riesigen Bühne, gigantischer Licht- und Tonanlagen, Absperrungen oder gar Security-Leuten. Wir haben jetzt ja zum Beispiel Kultur @ Pavillon.
Überraschenderweise hatten Patti und Karsten Verstärkung mit nach Dresden gebracht. Da wäre zuerst mal ein Pantomime zu nennen. Der Mann ging in schwarzen Trikot und Hosen, weißen Handschuhen sowie weiß geschminkten Gesicht immer wieder mal mit dem Spendenkescher zu den Leuten, die sich im Umfeld aufhielten. Wie es bei Pantomimen üblich ist, sprach er dabei kein Wort, sondern „redete“ mit Mimik und Gesten. Ganz genau hatte ich mir den Mann nicht angeschaut und so ein grell geschminktes Gesicht verändert ja auch den Blickwinkel, deswegen war ich auch sehr erstaunt als ich erfuhr, dass der stumme Künstler André Kemnitz-Voigt war.
André betreut mit seiner Agentur AKVmusic Management & Booking ja seit Jahren nicht nur die STEINLANDPIRATEN, sondern auch DIE SEILSCHAFT, POLKAHOLIX, APFELTRAUM, DIRK ZÖLLNER und andere. Erstaunt war ich, dass die Organisatorin der Veranstaltungen Kultur @ Pavillon, die Dresdnerin Maria Helm, auch zu seinem Team gehört. Aber so schließt sich der Kreis zwischen den STEINLANDPIRATEN, Maria und André und der sonntäglichen Kulturveranstaltung am Fuß der Albrechtbrücke auch irgendwie.
Gib dem Nachwuchs eine Chance dachten sich auch die STEINLANDPIRATEN. Sie gaben den Jünglingen Willi und Bjarne die Gelegenheit hier in Dresden mit ein paar Liedern vor Publikum aufzutreten. Mit E-Gitarre und Gesang trugen sie einige Coversongs vor. Dabei wurden sie von Karsten Schützler mit seiner Akustikgitarre unterstützt. Dabei hielt sich der erfahrene Musiker dezent im Hintergrund und ließ den beiden geschickt die Aufmerksamkeit des Publikums. Das haben die Jungs ordentlich gemacht. Ich hoffe, das gibt ihnen auch ein wenig Kraft, um gemeinsam musikalisch weiter zu machen.
Dann schlug die Stunde der STEINLANDPIRATEN. Wenn man diesen Namen hört, weiß man sofort, was Sache ist. Da geht es nämlich auch und vornehmlich um die Lieder von GERHARD RÜDIGER GUNDERMANN.
GUNDI ist nun leider schon 22 Jahre in den ewigen Jagdgründen. Aber seine Lieder leben, und zwar kein bisschen leiser, sondern springlebendig und in breiter Vielfalt. Sein Liedgut ist zum Schatz vieler Menschen, insbesondere meiner Generation hier im Osten geworden. Die Songs spiegeln unser Lebensgefühl insbesondere zu den Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs wider.
GUNDI gab uns damals nicht nur seine Stimme, sondern auch Wärme, Trost, Mut und neue Gedankenansätze. Ich hatte mit bzw. an der sogenannten Wende damals ganz schön zu knabbern. Sie warf ja nicht nur mein Heimatland über den Haufen, sondern auch meine gesamte Lebensplanung. Die sich auftuenden Chancen und Möglichkeiten erkannte ich erst allmählich.
Es wurde ein kurzer und dennoch schöner Ritt durch das Programm der STEINLANDPIRATEN in welchem GUNDERMANN-Lieder auch nicht zu kurz kamen. Selbstverständlich möchte ich dazu kurz auch noch etwas schreiben.
Dabei sind es bei den STEINLANDPIRATEN auch die eher selten gespielten Perlen, die richtig ins Herz krachen. Da fällt mir als Beispiel sofort „Trauriges Lied vom sonst immer lachenden Flugzeug“ von der 1988er AMIGA-Langrille „Männer, Frauen und Maschinen“ ein.
Patricia Heidrich begann ohne Instrumentalbegleitung zu singen:
„Wo soll ich landen, wenn der Tank leer ist.
„Wo ist ein Rollfeld für mich frei.“
Zack, schon standen meine Nacken- und Armhärchen stramm wie Borsten.
Diese markante, rauchige und dennoch klare Stimme hatte mich sofort wieder gepackt. Dann setzte Karstens Gitarre ein. Die Töne der Klampfe und Pattis Stimme harmonierten bestens miteinander. Auch der Hintergrundgesang des Gitarristen fügte sich gut in das Klangbild ein. Wenn zwei Musiker mit dieser Ausstrahlung und diesem Können auf der Bühne stehen, braucht man keine große Band oder Orchester. Patti und Karsten machen keine Mätzchen, sondern verkörpern pure Musik und außerdem Leidenschaft.
GUNDERMANN hat so viele Texte für seine Lieder geschrieben, die alle auf ihre Art einzigartig sind, die uns emotional berühren und die uns viel zu sagen haben. Manchmal gehen einzelne Songs fast ein wenig unter in dieser großen Schatzkiste mit GUNDIs (Lebens-)Werkstücken.
Dafür liebe ich die STEINLANDPIRATEN auch, dass sie sich als Perlentaucher in dieser Schatzkiste betätigen. „Sag wolltest du nicht noch“ von der grandiosen „Frühstück für immer“- CD ist bei dieser Vielzahl an sensationellen Liedern immer ein wenig untergegangen. Dabei ist das auch ein richtiger, strahlender Songedelstein.
„Sag wolltest du nicht noch“ ist ein nachdenkliches, aufbauendes und mutmachendes Lied. Man rennt manchmal selbst mit den Scheuklappen aus Stress, Hektik und Terminchaos durchs Leben und fragt sich ab und zu dann, was wollte ich eigentlich noch machen? Genau davon handelt der Song. Er erinnert uns daran, dass LEBEN soviel mehr sein kann, nämlich die Blume am Wegesrand, gemeinsam mit Familie und Freunden bei einem Festschmus zu feiern oder einfach auf Menschen zu zugehen und sei es, um ein Tänzchen zu wagen.
Aber die STEINLANDPIRATEN holten auch noch den „Torero“ ans Licht. Dieses Lied in der GUNDERMANNschen Interpretation entdeckte ich erst ziemlich spät, nämlich auf der postum im Jahr 2005 erschienen zweiten Solo-Doppel-CD „Torero“. Das Lied haute mich damals geradezu um. Das war so eine gefühlt leise, klagende, verzweifelte Beschreibung der heutigen Medienwelt, wo immer wieder ohne Rücksicht auf Verluste neue Säue durchs Dorf getrieben werden. Wenn man genauer hinhört, wird man auch Textfragmente erkennen, die schon auf der 1989er SILLY-LP „Februar“ im Lied „Einer gegen alle“ Verwendung fanden. GUNDI hatte da ja sehr kräftig mit Tamara gemeinsam an den Texten geschraubt. Mit der sanften Begleitung durch Karstens Akustikgitarre und dem eindringlichen Gesang von Patti wirkte der Song in Dresden wieder heftig aufs Gemüt. Dabei müssen wir heute auch leider zur Kenntnis nehmen, dass die in der Wendezeit und danach durchs Dorf getriebenen Säue im Vergleich mit den Praktiken der heutigen Medienlandschaft nur ganz kleine Ferkelchen waren.
Es ging munter weiter mit einer absoluten Rarität und mit Pattis Gesang:
„Ach wie böse ist diese Welt.
Wenn mal einer in die Pfütze fällt,
holt ihn keiner aus dem Schlamm
und die Leute lachen noch dazu.“
Das Stück „Weinen, weinen, weinen“ stammt aus GUNDIs FEUERSTEIN-Tagen und war Bestandteil des Kinderprogramms „Malwina“. Die Melodie stammte von NEIL YOUNG („Helpless“). Großartig, dass die STEINLANDPIRATEN auch diesen Rohdiamanten aus FEUERSTEIN-Zeiten (Feuerstein = Bezeichnung für Kohle, die ist vom Grundstoff her mit dem Diamanten verwandt) geborgen und für sich sowie für uns Zuhörer erschlossen haben.
Verdammt, jetzt wird dieser Bericht ja doch wieder länger als das ganze Konzert dauerte. Aber da gab es auch noch 3 Coversongs, welche ich nocherwähnen möchte..
Zunächst wäre da „Marias Lied“ aus dem Musical LINIE 1 zu nennen. Dann folgte auch noch die deutsche Version des BOWIE-Klassikers „Heroes“. Diese deutschsprachige Version haben wir auch schon von CITY oder RENFT gehört. Da kann man nicht meckern, sondern nur Klasse schreiben.
Höhepunkt und Ende dieser musikalischen Kaffeezeitrunde war dann „Junimond“ von RIO REISER. Bei diesem Lied habe ich sowieso immer einen dicken Kloß im Hals, weil es mich an alte Zeiten erinnert. „Junimond“ war im Sommer 1988 kurz vor dem Studienabschluss unsere Hymne. Ist das tatsächlich auch schon wieder 32 Jahre her?
Nun möchte ich diesem Bericht mit dem Wunsch schließen die STEINLANDPIRATEN bald wieder in Dresden oder Umgebung begrüßen zu dürfen. Duos von dieser Leidenschaft und dieser Qualität braucht dieses Land und GUNDis Lieder sowieso 😉
Gruß Kundi
Fotos: Bjarne und Willi mit Karstens Unterstützung,
André Kemnitz-Voigt als Pantomime,
Maria Helm mit Flüstertüte.
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