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Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 30.12.2019 20:44von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Genau am 28.06.19 verkündete mein Mann unvermittelt: Blitzstart, wir fahren nach Marienberg, Wind Sand & Sterne spielen in der Baldauf Villa. Das hatte er gerade auf Facebook entdeckt, schon lange hatten wir diese Folkrockband aus dem Erzgebirge mal wieder auf dem Schirm.
Wir kamen in Marienberg an und keine Menschenseele war da. Außer uns dumm angucken, blieb uns nichts weiter übrig. Es stellte sich dann heraus, die Veranstalter hatten sich beim Einstellen des Termins vom Monat um ein halbes Jahr vertan.
Als wir 6 Monate später in Marienberg ankamen, bot sich uns ein ganz anderer Anblick. Der Saal war gerammelt voll und es ging kein Apfel zur Erde. Wieder eine Fehlplanung unsererseits, wenn wir die Homepage von Wind Sand & Sterne richtig gelesen hätten, hätten wir uns rechtzeitig Karten bestellt. Dort stand groß und breit: Restliche Tischplätze nur über Kartenreservierung.
Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss sehen, was übrig bleibt. Uns blieb nur ein Platz im Nebenraum und da hatten wir noch Glück, der Nebenraum hatte noch einen Hinterraum und auch der wurde besetzt. Es wird sich spätestens in einer Stunde „einruckeln“, meinte die Constanze von der Baldauf Villa, die dort Dienst tat. Was sie damit meinte, erschloss sich mir nicht gleich.
Wir hier in unserem Forum haben ja eine Mission und die heißt „Bühnenrand“. Ich fand noch einen Platz vor der Bühne. Na gut, es war auf dem Fußboden mehr oder weniger unter dem Tisch, aber ich hab super gesehen und hatte viel Spaß.
Wer diese Mundart Folkband besucht, begibt sich unweigerlich auf eine Reise in die Vergangenheit.
Ich will nicht zu weit ausholen, Stefan Gerlach, den Frontmann von Wind Sand & Sterne verbindet man in meiner Generation und unserer Ecke mit Satori und Sirius. Es war die große Zeit auf den Dorfgasthofsälen, Live Bands waren die Regel und man reiste den Gruppen hinterher.
Satori habe ich als 16 jährige mal gesehen, ob da Stefan Gerlach noch dabei war, kann ich nicht sagen. Die Erinnerungen sind verblasst.
Geblieben ist das Erinnern an eine Zeit, in der das zum Tanz gehen „fortgehen“ hieß und man sich jedes Wochenende mit Freundinnen zu Fuß oder mit dem Rad auf den Weg zu angesagten Sälen machte. Um die Zeit, wenn wir wieder nach Hause gingen, begibt sich die Generation unserer Kinder und Enkel gerade mal erst in die Spur.
Mit Wehmut denke ich an die wenigen Jahre, die ich noch zu den Dorfgasthöfen unterwegs war. In unsere Gegend war das Berbersdorf, Rothenfurt, Schönborn Dreiwerden und Merzdorf.
Die Säle sind größtenteils abgerissen (ich verweise hier mal auf die Beiträge von Mission Bühnenrand zum Thema Dorfgasthöfe: Gesellschaftshaus Hoppenz ist überall) die Discos haben die Livebands verdrängt und wir sind alt geworden. Geblieben ist die Liebe zur Musik und zum Glück auch noch viele unserer Musikerhelden von damals.
Eine Liedzeile bringt es auf den Punkt. Gerlach singt von „Hinnern Naabel dor Zeit“. Das ist es, was die Band ausmacht. Für nichtkundige der Erzgebirgisch Voigtländischen Mundart übersetze ich es. Gemeint ist „Hinter dem Nebel der Zeit“. Diesen Nebel zu durchringen, ist eine der Perspektiven, die sich auftut, wenn man diese Erzgebirgische Folkrockband besucht.
Sie fahren zweigleisig. Es gibt viele eigene Titel in Mundart und dann noch die internationalen Songs vorzugsweise aus den 70ziger Jahren, mit denen man aufgewachsen ist.
Ich selbst liebe besonders diese Mundarttitel. Höre ich Bayrisch, verstehe ich Bahnhof und mir graut. Ich weiß nicht warum, bei aber bei uns in der Gegend wird eher sächsisch gesprochen. Das „Arzgebirg“ ist aber nur 15 km weg. Bei Gerlach verstehe ich jede Liedzeile. Denke, das ist Prägung aus früherster Kindheit. Es ist der Klang der Heimat und Wind Sand & Sterne ist eine der wenigen Bands, die diese Mundart mit Rock`n`Roll verbinden. Aber nicht nur die Musik ist mitreißend, sie erzählen damit Geschichten, die sind sukurril, witzig, die sind traurig. Sie sind so, wie das Leben hier ist. Sie erzählen von Landschaften und von Menschen, werten nicht. Diese Texte berühren jeden, der sie denn versteht.
Und dann ist es noch die Stimme von Stefan Gerlach. Die hat was, wer davon nicht in seinen Bann gezogen wird, hat Hornhaut auf der Seele.
Die Band ist in den letzten Jahrzehnten sehr konstant zusammen geblieben.
Außer Stefan gehören dazu Hans Rudolf Lippold als Schlagzeuger, Christoph Rottloff, ein alter Weggefährte von diversen Bands am Bass und Konzertina, Torsten Reuter an Gitarre und Bass und Michael Barth an Gitarre, Orgel und Akkordeon.
Zu Gehör brachten die Mannen um den Gerlach Stef „Draußen und dorham“ und die „169“. Gemeint ist damit die Straße Nummer 169. Es ist mein Lieblingstitel, da ich in der Nähe der 169 wohne. Stef erzählt damit in wenigen Strophen seine Lebensgeschichte, die so auch von vielen anderen unserer Generation berichtet werden könnte. Auch Cäsar kommt da vor.
Ganz zum Schluss gab es noch zwei Eigentitel „ Berei gar kaa Minut“ und „Wiedermol dorham“. Letzterer ist einer der ersten Titel, mit denen sich Wind Sand & Sterne in der Kategorie „Mundart und Rock“ unsterblich gemacht hat. Er stammt aus dem Jahre 1983. Ich hatte ihn immer für einen Nachwendetitel gehalten. Es heißt darin „`S Laabn is bequaamer for de Leit heit geworn, doch mir`s aah net entgange, wos mer allis verlurn.“ Für die Nichterzgebirgler: „ Das Leben ist bequemer für die Leute heute geworden, doch mir ist nicht entgangen, was wir alles verlor`n.“
Die Eigentitel waren diesmal leider dünn gesät. Warum, das sollte ich im Laufe des Abends begreifen.
Wir waren in ein Heimspiel der Band geraten. Die treuen Fans und Weggefährten treffen sich immer zwischen Weihnachten und Neujahr in der Baldauf Villa.
Sie wollen nicht nur zuhören, sie wollen Tanzen. Genau das taten die Leute von der ersten Minute an. Dazu eignen sich nun mal nicht die Erzgebirgsweisen.
Ich unter meinem Tisch musste gut aufpassen, dass mir nicht auf die Fingerchen getreten wurde. Was nehmen wir Bühnenrandmissionare nicht alles auf uns?
Viele der englischen Covertitel wurden gespielt, wie „Honky Tonk Woman“, „Painted Black“,
„Jumping Jack Flash“ . Das ist das, was Wind Sand & Sterne immer gemacht hat.
Wenn man mehr Mundart hören will, kann man zu Stefan Gerlachs Lesungen gehen, da liest er aus seinen Büchern und spielt viele der alten, erzgebirgischsprachigen Titel.
Und was soll ich euch sagen? Ich weiß jetzt, was „einruckeln“ bedeutet. Ich habe das erste Mal seit 25 Jahren wieder mal mit meinem Mann getanzt.
RE: Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 30.12.2019 21:14von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Seit langer Zeit fand sich wieder mal ein User von hier, um gemeinsam ein Konzert zu besuchen. Ich freue mich, dass Andreas (Genitiv) mit nach Marienberg gefahren ist. Unaufgeregte Fachkenntnis, so würde ich ihn beschreiben und für uns hier wirklich eine Bereicherung. Wir haben uns auf YT kennen gelernt. Er ist auch ein Filmer. Nach einem Video von Lied - Fass stellten wir fest, wir sind aus eine Ecke.
Von meiner Seite "Mopsfideler Ostrock" habe ich auch noch was Bewegtes mitgebracht und ich glaube, Andreas hat auch was.
RE: Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 30.12.2019 21:53von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Ich hänge hier mal was an, passt zum Thema Baldauf Villa.
Seit vielen Jahren sind sie Veranstalter der Erzgebirgischen Liederwanderung. Seit drei Jahren sind wir dabei. Ich habe es noch nicht auf die Reihe bekommen, hier mal darüber zu berichten. Stefan Gerlach haben wir dort auch schon erlebt und ich hoffe, er ist wieder dabei. Jedes Jahr im August machen sich über 5000 (!) Wanderer auf die Socken auf einer festgelegten, jedes mal anderen Strecke im Erzgebirge. Es gibt verschiedene Stationen, an denen man Kultur erleben kann. Dieses Jahr waren 14 km zu erwandern. Es ist Folk, Rock, Lieder, Chöre, Volksmusik und Instrumentalmusik. Die unglaubliche Vielfalt macht es spannend. Die Musiker spielen einfach im Wald oder auf dem Feld ohne Technik. Wer Lust hat, hört zu, wen es nicht interessiert, der wandert weiter. Im Jahr 2020 ist es wieder am 16. August. Die Bilder erzählen mehr als Worte. Vielleicht gibt es von hier mal User, mit denen man dort wandern und Kultur erleben kann?
RE: Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 31.12.2019 08:58von SN-Nittel • | 329 Beiträge | 724 Punkte
Danke Petra.
Stefan und Freunde spielen eigentlich schon paar Jahre zwischen Weihnachten und Silvester in der Villa und haben ihre Fans. Ich konnte dieses Jahr nicht und Schade. Er ist das Urgestein der Szene im Erzgebirge und hat vieles hier geprägt. Sehr zu empfehlen sind seine Bücher. Das ist Heimat, das ist Musikgeschichte hautnah und ein echtes Zeitdokument.
RE: Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 31.12.2019 12:40von Kundi • | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte
Über diese Berichterstattung freue ich mich besonders, da auch ich Stefan Gerlach sowie WIND, SAND & STERNE sehr schätze.
Ich hätte die Mugge auch gerne erlebt. Aber Marienberg und die nächtliche Rückfahrt jetzt im Winter haben mich dann doch abgeschreckt.
Ganz herzlichen Dank für diese Eindrücke, liebe Petra.
Gruß Kundi
RE: Wind Sand & Sterne am 28.12.19 Baldauf Villa Marienberg
in Konzertberichte 2019 und älter 31.12.2019 15:16von genitiv64 • | 196 Beiträge | 450 Punkte
Pmausp, Du hast alles gesagt. Ich habe 1984 erstmals etwas von Satori und Wanderer durch einen guten Bekannten erfahren. Er ist aus dem Erzgebirge und hat von der Stimmung dort geschwärmt, deshalb bin ich aber noch nicht ins Gebirge gefahren, um mich davon zu überzeugen. Die Stimmung bei diversen Bands aus dem Gebirge habe ich inzwischen erfahren, und da ist es egal, ob das Country Bands, Rockbands, Volksmusikbands oder eben Wind, Sand und Sterne sind. Die Stimmung war bisher überall toll.
Seit 2003 bin ich oft bei Youtube unterwegs, um die Bands zu finden, die mir was sagen. Und verfolge auch, wer wo spielt, eben auch Wind, Sand und Sterne. Und da kam Deine Info recht, was noch besser war, das wir wieder mal eine Fahrgemeinschaft gebildet haben. Das es dann in Marienberg so voll war, das hätte ich nicht gedacht. Meine Erwartung war auch, das mehr eigene Sachen gespielt werden, aber die Highlights waren dabei.
Stefan Gerlach ist für mich ein Heimatdichter. Der schreibt über seine Gegend, was er dabei so empfindet, und das im Dialekt. Das macht es authentisch. Was er schreibt, das altert auch nicht. Dazu schreibt er dann noch Musik, die eingängig ist. Um ihn herum sind tolle Musikanten, das rundet es ab. Ich habe ihn schon mal in Hainichen als Gast, ich weiß nicht mehr bei welcher Band, im HKK erlebt. Da gab es aber viel Stones Zeug, wie auch diesmal in Marienberg.
Wie Du gesagt hast, es war ein Heimspiel. Bei vielen eigenen Sachen, da singt das Publikum fast geschlossen mit, egal ob getanzt wird, oder nur zugehört wird. Das zeigt seine Verwurzelung im Erzgebirge. Es ist erstaunlich, schon seit den späten 60ern ist er unterwegs. Wir hatten ja die Gelegenheit, kurz mit Ihm zu reden, nächstes Jahr, also 2020 hat er 60 jähriges Bühnenjubileum. Ich werde unbedingt seine Homepage verfolgen, wenn er und Wind, Sand und Sterne dazu Veranstaltungen macht, die Zeit dazu, die nehme ich mir. Und seine Bücher besorge ich mir auch noch.
Hier mal ein paar Links auf Seiten im Netz:
Die Homepage von Wind, Sand und Sterne.
Michael Barth, der Mann an den Tasten und auch Gitarre bei WSS.
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