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Hommage für FEDOR FRESO

in Bands, Musiker, Musikstile 03.09.2019 09:17
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Hommage für FEDOR FRESO (06.01.1947 – 26.06.2018) 02.09.2019

Im Jahre 1970 dröhnte der grelle und expressive Sound einer Hammond-Orgel, unterstützt von einer treibenden Basslinie, bei DT64 aus den Radiolautsprechern: „Hommage a J.S. Bach“. Mein allererster Gedanke war der an ELP, doch die Band trug den ungewöhnlichen Namen COLLEGIUM MUSICUM und war in Bratislava zu Hause. Ich war voller Euphorie und wenig später im Besitz der ersten LP dieser ungewöhnlich klingenden Gruppe. Seither sind 50 Jahre vergangen und ich könnte eine Menge zum Thema erzählen. Doch es fällt mir verdammt schwer:

Obwohl schon „veraltet“, habe ich es erst vor Stunden erfahren und nun weiß ich nicht wirklich, wie soll ich diese „Neuheit“ kommentieren? Sie kam für mich, so wie meistens, derart überraschend, dass mir zunächst die Spucke wegblieb, für einen Moment war Stille. Wieder so ein Einschlag, der mich aus der Normalität ins Grübeln katapultierte. Die slowakischen Bassisten-Legende FEDOR FRESO ist schon im vergangenen Jahr, hierzulande medial unkommentiert und daher auch unbemerkt, verstorben.

Seitdem dieses Deutschland wieder in ganzheitlichen Grenzen abgesteckt, aber längst nicht geeint, existiert, haben wir uns völlig von den ehemaligen (Bruder)Staaten, wie Polen, dem Nachbarn CSSR oder Ungarn, „abgenabelt“. Politisch sowieso und von daher natürlich kulturell-künstlerisch gleich mit. Genau so, wie die Vereinnahmung im Innern abgelaufen ist, wirkt sie nach außen. Kein Wunder also, dass Informationen aus der dortigen Rock- und Pop-Szene, falls überhaupt, dann nur äußerst spärlich und verspätet fließen, während wir im Gegenzug mit Pop-Müll aus den USA und mit selbsternannten „Supersternchen“ der Medienkonzerne zugeschüttet werden. Dabei war Rockmusik der Länder östlich der DDR ein Teil des Lebensgefühls vieler Jugendlicher hierzulande, mich inbegriffen. Aber wer in den verbrauchten Ländern kennt schon Musik „aus dem Osten“, geschweige denn von „dahinter“??

Das slowakische COLLEGIUM MUSICUM erlebte ich in den 1970er Jahren drei Mal: Beim historischen Niemen-Konzert 1973 in Dresden als „Vorband“, dann in Hoyerswerda und in Herzberg. Seither waren mir Marian Varga und Fedor Freso, mit Drummer Dusan Hajek als Dritten, quasi ans Herz gewachsen und jede ihrer neuen Platten fand einen Platz in meiner Sammlung. Erst im März 2009, also zwanzig Jahre nach der Polit-, Sozial- und Kulturkehrtwende, erlebte ich in Dresden endlich auch FERMATA mit einem entfesselt spielenden FEDOR FRESO am Bass. Durch die persönliche Bekanntschaft mit ihm, die damals entstand, erhielt ich die schöne Chance, das COLLEGIUM MUSICUM im Februar 2011 als Gast, tief unten in der Lucerna-Bar von Prag, live zu erleben. Was für ein unvergessliches und einmaliges Erlebnis, das sich für immer in meinen Erinnerungen festgesetzt hat. Noch ein letztes Mal sah ich das Quartett im Mai des gleichen Jahres, als „Vorband“ für Omega in Locket. Der Wunsch, die slowakische Rock-Legende und deren Musiker noch ein weiteres Mal zu treffen, machte Gevatter Tod zunichte. Im August 2017 starb Marian Varga, der Virtuose an den Tasten und geniale Komponist der Band. Wenig später brach auch mein Kontakt zum Bassisten ab. Jetzt erreichte mich diese (verspätete) Nachricht, dass FEDOR FRESO seinem musikalischen Partner in den Rockerhimmel gefolgt ist. Ich könnte heulen, bin fassungslos und suche verzweifelt nach Ausdruck. Er war doch gerade einmal 71 Jahre geworden!

Den nachfolgenden Generationen lässt sich heute kaum noch plausibel erklären, welche Bedeutung dieser FEDOR FRESO, und andere Musiker, in seiner Heimat erlangte. Er spielte mit den Soulmen, bei Prudy mit Pavol Hammel, im Collegium Musicum bei Marian Varga, mit Fermata & Fero Griglàk sowie mit Blue Effect und Radim Hladik. Allesamt echte Legenden in ihrer Heimat, die Geschichte schrieben. Von all dem erzählt der Bassist in seinem Buch vom „Sideman“ (2011), als eine Anspielung auf jene Rolle, in der er sich selbst an der Seite vieler hervorragender Musiker sah. Mir wurde das Glück zuteil, ihn mit dem Collegium Musicum und Fermata live erleben und treffen zu können und mit ihm Kontakt gehabt zu haben. Und plötzlich bleibt mir nur noch die Erinnerung.

Ich werde mir in einer besinnlichen Stunde „Konvergencie“ von 1971 und die Single vom „Hommage a J. S. Bach“ (1970) auflegen, den zauberhaften Klängen lauschen und den fetten Bass aus dem Sound heraushören. Ja, ich werde wohl auch feuchte Augen haben. Gute Reise, FEDOR FRESO, in unseren Erinnerungen bist Du dennoch hier, denn Deine, unsere Generation lebt noch und mit ihr diese ganz besondere Musik, mit der wir erwachsen wurden und Musik zu verstehen lernten!

Angefügte Bilder:
Fedor Freso 2.JPG

www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
zuletzt bearbeitet 03.09.2019 10:50 | nach oben springen

#2

RE: Hommage für FEDOR FRESO

in Bands, Musiker, Musikstile 03.09.2019 23:08
von toms-daddy | 99 Beiträge | 223 Punkte

Da sind wieder so viele Zeilen, die meine volle Zustimmung finden... Danke Hartmut! Wann immer es möglich war habe ich in Berlin und Leipzig meine Zug- und Busverbindungen damals so geplant, dass die Kulturzentren der "Bruderländer" meinen Besuch und mein Taschengeld bekamen 😉 Auf meinem Boden stehen etliche laufende Meter an Schallplatten, ich kann und will mich davon nicht trennen ( inzwischen konnte ich einem ernsthaften Sammler eine riesige Freude machen). Die Musik hat mich fasziniert, die Cover sahen anders aus und rochen auch anders, teilweise haben wir eigene deutsche Texte auf Songs von Fonograf oder Vaclav Neckar geschrieben ( das Planetary- Album höre ich immer noch gern) - und nach der Wende war Schluss mit alledem... Und so nach und nach gehen leise und unbemerkt all jene, die uns mal so wichtig und teilweise bekannt und vertraut waren... Collegium Musicum, Fermata, SBB und Jozef Skrzek solo sind auf meinem Player vertreten, auf langen Fahrten zu den Veranstaltungen laufen sie immer und immer wieder -weil Qualität eben zeitlos ist. Und weil unsere Erinnerungen an röhrende Hammond- Orgeln und knarzende Fender- Pianos mit dem Hohner-D6 obendrauf eben zum Sound unseres Lebens gehören.

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#3

RE: Hommage für FEDOR FRESO

in Bands, Musiker, Musikstile 07.09.2019 15:24
von genitiv64 | 196 Beiträge | 450 Punkte

1970 war ich 6 Jahre alt. Insoweit ist das alles doch etwas an mir vorbeigegangen. Deshalb kann ich dazu nichts sagen. Jedoch erinnere ich mich an Rund Sendungen und das, was im Radio gespielt wurde. Waren es auch nur Pop oder Schlagerinterpreten der sozialistischen Länder, so erinnere ich mich gerne daran. Und ich vermisse es. Deshalb hat der Absatz mit den Medienkonzernen etwas in mir ausgelöst. Der MDR trägt im Namen das deutsch. Aber zu, grob geschätzt, 80 Prozent kommt Pop oder Oldies aus England und den USA. MDR Kultur ist vielleicht etwas anders, das höre ich aber selten. Ich habe meine Sender gefunden, die sind gebührenfinanziert, einer trägt Kultur in seinem Namen. Noch zum MDR, dort läuft Mainstream in der Dauerschleife, ob Jump, oder MDR 1, immer die gleichen Oldies. Die Privaten sind auch nicht besser. Ich würde mich freuen, auch mal wieder den Pop der 70er und 80er der "Bruderländer" zu hören, sei es Maryla Rodowicz, 2+1, Jiri Korn, Vaclav Neckar, Helena Vondrackova, Zsuzsa Koncz, Kati Kovacz, Gjon Delhusa, Bisser Kirov, Miro Ungar, Iviza Servezi ..., die Aufzählung ist unvollständig. Von Rockgruppen ganz zu schweigen. Ab und zu höre ich jetzt gezwungener Maßen Jump. Da freue ich mich schon, dass doch auch deutscher Pop gespielt wird. Aber eben immer das Selbe. Da bin ich doch wieder für eine Quote. Interpreten unseres Landes würden eine Chance bekommen, die Tantiemen würden im Lande bleiben. Ich bin der Meinung, das würde auch unserer Musikindustrie zu Gute kommen. Ich bin der Meinung, die Musikredakteure und die Intendanten sind gefordert.

Ein Kollege meinte einmal, als wir uns darüber unterhielten, das will doch keiner hören. Da bin ich der Meinung, das ist der Masse egal. Wir hören uns das an, was uns vorgesetzt wird. Wenn es weniger anglo-amerikanischer Pop ist, dann wird anderes angehört. In den 70ern und 80ern ging es doch auch, der Italopop und Rock, es funktionierte. Hört man heute noch etwas davon? Eher wenig.

DLF Kultur bringt manchmal Musik aus Frankreich, Portugal .... USA, aber keinen Mainstream. Es geht doch, da könnte doch auch mal was vom heutigen Polen, Ungarn, Tschechien ... dabei sein. Sonst bleibt nur das Internet oder eigene Playlists.

Das passte wieder mal zusammen. Kurz bevor dieser Feed gestartet wurde, habe ich mir mal ein paar Tage abends auf YT ungarischen Pop und Rock ein paar Stunden reingezogen. Demjen , Illés, Fonograf, VMoto Rock, P.Mobil, LGT, Skorpio, Piramis ... Da frage ich mich, die haben Hits geschrieben, da singen Tausende die Songs mit, warum sind das nur Hits bei ein paar Millionen Einwohnern und wir wissen nichts davon? Das ist schade und irgendwie traurig.

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