#1

Freygang geben Ende im Sommer 2019 bekannt

in Bands, Musiker, Musikstile 14.02.2019 13:07
von SN-Nittel | 329 Beiträge | 724 Punkte

Freygang oder besser gesagt die Freygang Band hat ihr Ende verkündet.
Ich habe es vor paar Tagen erfahren. Der Entschluss an die Öffentlichkeit zu informieren muss wohl um den Jahreswechsel geschehen sein. Ich möchte da paar Worte verlieren.
Freygang Konziberichte tauchen hier und in anderen Foren eher selten auf. Das hat sicherlich Gründe und ich werde hier meine ganz persönliche Meinung sagen.
Die Band, die es seit über 40Jahren gibt, hat immer ein Leben neben der allgemeinen Musikszene gelebt. Das war zu DDR Zeiten so und auch im vereinigten Deutschland. Selbst in der Blueserszene waren sie nicht immer anerkannt oder besser gesagt sehr Eigen. Das hat ihnen nicht nur Freunde beschert. Kaum eine andere Band hatte in meinen Augen so viele Höhen, Tiefen und war so wechselhaft in meiner Wahrnehmung. Auch sehr viele Besetzungswechsel prägten die Band. Eine Band mit Idealen, eine Band mit Exzessen.
Freygang das sind auch 30Jahre mit ihren Käptn Andre Greiner – Pol und 10Jahre ohne den Frontmann. Er hat die Gruppe geprägt und sein Verlust war eigentlich das Ende. Trotzdem hat es die Band noch 10 Jahre geschafft. Brian Bosse war sicher der entscheidende Faktor.
Leider hat sich die Fangemeinde auch in den letzten Jahren, Jahrzehnten gelichtet. So geht es vielen und die Musikszene wird angepasster. Freygang stand für Aufmüpfigkeit und fuhr ihre eigene Schiene. Somit war sie auch eine Band, die auch Feinde hatte und immer ihren eigenen Kampf gegen die Allgemeinheit führte. Sie hatten ihre Meinung, waren politisch und ließen sich trotzdem nicht in eine Ecke schieben. Sie wurden in der DDR mit Entzug der Spielerlaubnis bestraft und in der BRD mit Ignoranz.
Musikalisch gesehen waren sie sicher nicht die Helden der Rockmusik und des Blues. Das muss man so sehen. Trotz alledem hatten sie eine große Reportware in ihren Jahren. Und sie hatten es geschafft viele CD zu produzieren. Auch das haben einige Bluesbands nicht hingekriegt. Zusätzlich haben sie auch Auslandstouren gemacht, Spendenaktionen ins Leben gerufen und Open Airs organisiert.
Freygang lebte von der Untergrundszene und hat so manche Jugendkultur geprägt. Andre Greiner Pol war der Anschieber und ein Musiker mit Leib und Seele bis Ende 2008. Mit seinen Tod ging ein Stück Freygang verloren und die Zeiten änderten sich stetig in den letzten 10,20 Jahren. Die Kunden- oder Bluesszene, war Gegenströmung und eine besondere Kulturerscheinung. Freygang hat sie mit bestimmt.
Jetzt ist die Zeit vorbei. Ich verbinde mit Freygang lustige Anektoden, schöne Konzerte, schlechte Konzerte und sehe sie als ein Teil der Musikgeschichte in unserem Ossiland. Im Westen dagegen …tote Hose. Leider habe ich sie, auch altersbedingt, erst nach der Wende kennen gelernt.
Ich werde versuchen noch ein Konzert zu besuchen und empfehle die Freygangbücher. Und vor allen, den „Bluessommer“ von Kay Lutter mit Parallelen zur Band. Er war selbst Mitglied der Band.
Beim Open Air in Oettersdorf im Juli soll nun der Vorhang fallen.



zuletzt bearbeitet 14.02.2019 20:26 | nach oben springen

#2

RE: Freygang geben Ende im Sommer 2019 bekannt

in Bands, Musiker, Musikstile 14.02.2019 18:15
von PMausM | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte

Die Bilder hatte ich 2008 gemacht,da habe ich Freygang ein einziges Mal in Lüttewitz in einem Festzelt gesehen . Andre Greiner Pol ist kurz darauf gestorben.
Das Buch Bluessommer mag ich auch sehr. Leider habe ich es noch nicht zu einer Lesung geschafft. Das steht ganz oben auf meiner muss ich machen Liste.
Was du hier über Freygang schreibst, interessiert mich sehr, besonders seit ich das Buch gelesen habe.
Da hatte ich 2008 wirklich Glück, die Band noch mal komplett zu sehen.



zuletzt bearbeitet 14.02.2019 18:23 | nach oben springen

#3

RE: Freygang geben Ende im Sommer 2019 bekannt

in Bands, Musiker, Musikstile 15.02.2019 00:53
von SN-Nittel | 329 Beiträge | 724 Punkte

He Petra , Lüttewitz und Greiner Pol erlebt zusammen. Das ist ja schon Der Hammer. Alte Zeiten. Sie kommen leider nie wieder.

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#4

RE: Freygang geben Ende im Sommer 2019 bekannt

in Bands, Musiker, Musikstile 15.02.2019 10:34
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Nachdem ich die Zeilen von Steffen gelesen hatte, und danach die von Petra, begann es in meinem Kopf zu rattern. Die Erinnerungen kamen wie von selbst. Ich habe mich aufgerafft und einiges davon aufgeschrieben. Danke Steffen, aus eigenem Antrieb hätte ich das nicht mehr getan:

Im Frühling des Jahres 1977 begann ich mit Freunden in Elsterwerda meine ROCK-MIX-Konzerte auf die Beine zu stellen sowie mit Prinzip, Brot & Salz, Electra, Lift und auch Bayon erfolgreiche Gruppen auf „meine Bühne“ zu bringen. Das war genau jene Zeit, als sich in Berlin unter ANDRÈ GREINER-POL, dem Sohn vom Leiter des Erich-Weinert-Ensembles der NVA, die Band namens FREYGANG, getragen vom großen Interesse an Blues-Musik in der DDR, in die Spur begab. War schon die Konstellation vom Sohn eines NVA-Obersten und Blues-Musik eine satte Provokation, waren es die Musik und Texte der Band erst recht, denn „der Blues muss bewaffnet sein, sonst glaubt dir kein Schwein“, wird AGP gern zitiert. Die Band sprach aus, was andere kaum zu denken wagten, radikal und laut. Der Kapitän, wie ihn seine Fans nannten, tat so, als könne man in der DDR tun und lassen, was man gern möchte und scherte sich nicht um das, was gewünscht oder verboten war. Noch mehr und radikaler übrigens, als eine Klaus Renft Combo vor ihm. Aber das nur am Rande.

In der Truppe begeisterter junger Leute, mit denen ich ROCK-MIX organisierte, waren mit Hansi und Mäcki auch zwei Typen, die kein Blues-Konzert im Umkreis von vielen Kilometern ausließen. Sie waren es damals auch, die mich oft mit aktuellen Informationen versorgten und mich drängten, Blues-Bands wie Diestelmann und Freygang auf die Bühne von ROCK-MIX zu holen. Im November 1978 erfüllte ich mir zunächst mit einem Konzert von Jürgen Kerth selbst einen Wunsch. Der Musik und dem Musiker Kerth bin ich bis heute, über 40 Jahre lang, ein treuer Begleiter. Doch schon im April 1980 kam Stefan Diestelmann zu uns und im Oktober des gleichen Jahres Hansi Biebl. Für Monokel und die Jonathan Blues Band fanden wir damals keinen freien Termin und mit FREYGANG hat es leider überhaupt nicht geklappt. Keine Ahnung warum, es ist lange her.

Keinen Termin zu bekommen, musste aber nicht bedeuten, eine Band nicht live sehen zu können. Ich bin mit den beiden „Jungspunden“ und dem Fahrrad irgendwann Anfang der 1980er nach Zobersdorf gefahren. Im kleinen Nest gab und gibt es eine berühmt-berüchtigte Kneipe und dort erlebte ich den „wilden Haufen“ FREYGANG das erste Mal live: Verdammt laut, brachial, aggressiv und verrucht. Sie waren so, wie sie mir beschrieben wurden und meine Gefühlswelt schwankte zwischen schockiert und begeistert. Ich bin damals quasi, von brachialer lauter Rockmusik besoffen, wie in Trance nach Hause gefahren. Diesen Eindruck vom Abend in der „Grünen Linde“ habe ich bis heute im Gedächtnis. Als eine Erinnerung an jene Tage sind mir Autogramm- und Werbekarten sowie ein signiertes Poster der Band geblieben. Aus bekannten Gründen verkneife ich mir, diese Dokumente hier öffentlich zu zeigen.

FREYGANG gelang es, das ist mein persönlicher Eindruck, vielleicht als einziger Band der DDR, einen Spagat zwischen Liebe und Hass, seitens mancher Fans, vieler Musiker und erst recht der Offiziellen, für sich schöpferisch zu nutzen. Immer dann, wenn eng es wurde, tauchten sie anderen Ortes unter anderem Namen und mit neuen Konstellationen wieder auf. So fährt die Band z. B. unter anderem Namen für die Band DRUDENFUSS (eine andere wilde Kapelle), die keine Lust hat, an die Trasse. Wo andere einen Ausreiseantrag schrieben, umschifften FREYGANG das Hindernis und machten verändert in der DDR weiter. Sie schafften es, hierzulande populär, der Obrigkeit ein Dorn im Auge und den Fans eine Leitfigur zu sein. Sie überlebten auch die Wende und behielten ihre Popularität unter veränderten Vorzeichen bei. Wurden sie in der DDR mehr als nur ein Mal verboten, hatten sie unter „freiheitlichen“ Bedingungen mit Ignoranz seitens der Medien zu kämpfen und blieben weiter im „Untergrund“. Doch der Kapitän ANDRÈ GREINER-POL führte des „Flaggschiff aller schrägen Vögel“ sicher durch Untiefen und Stürme der Zeiten. Sie gaben umjubelte Konzerte, veröffentlichten kleine Silberlinge und waren trotzdem niemals „everybody’s darling“.

FREYGANG sah ich noch einmal am 14. September 2007 im Zentralgasthof von Weinböhla gemeinsam mit Engerling. Diesen Termin wollte ich nach so vielen Jahren unbedingt wahrnehmen. Ich hatte noch einmal die Chance, die Band unter Volldampf und mit Leidenschaft live auf der Bühne zu erleben. Mit meiner ersten und äußert bescheidenen Digitalkamera knipste ich einige Fotos und in der Pause durfte ich AGP in der Garderobe zu einem Gespräch kurzen treffen. Es war das letzte Mal. Das Konzert beider Bands ist eines von jenen, über die ich bis heute keinen Konzertbericht geschrieben habe. Der Kapitän ANDRÈ GREINER-POL starb ein Jahr später, am 15. Dezember 2008, völlig unerwartet infolge eines Herzinfarkts. Für mich persönlich fand damit die Geschichte der Band ein Ende, für andere ging sie mit der Freygang-Band noch über zehn Jahre weiter. Ob ich noch einmal vor deren Bühne stehen werde, ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig ungewiss, aber irgendwie wünschenswert.

Angefügte Bilder:
014.JPG
HPIM2532.JPG

www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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#5

RE: Freygang geben Ende im Sommer 2019 bekannt

in Bands, Musiker, Musikstile 15.02.2019 12:13
von SN-Nittel | 329 Beiträge | 724 Punkte

Das ist schön, das du auch paar Zeilen und Erinnerungen berichten und beisteuern kannst, Hartmut. Ich hab ja von der Band wirklich bei dir noch nix gelesen. Danke. Die Band bleibt für mich in Erinnerung und ist ein teil anderer Musikkultur, die es so nicht mehr geben wird.

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