#1

Puhdys - "Es war schön"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 04.05.2013 13:45
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

PUHDYS "Es war schön", Polydor/Universal ( 20.11.2012 )

1. Schiffsouvertüre
2. Unser Schiff
3. Draßen warten die Sterne
4. es war schön
5. Hoffnung
6. Die Welt ist ein Wunder
7. Wenn ein Mensch
8. Für dich lebe ich
9. Einfach leben
10. Heut' ist wieder so ein Tag
11. Wieder zu Hause
12. Ein Lied, das nicht vergisst
13. Aus der Tiefe des Herzens

So ist das manchmal im Leben: Etwas, das man Monate zuvor für ewig richtig und unumstößlich hielt, ist plötzlich Schnee von gestern. Genau so, wie man es anderen eigentlich unter die Nase reiben wollte, gilt es plötzlich nicht mehr. Die PUHDYS singen davon, dass in ihrer eigenen Vergangenheit vieles schön und lebenswert war, und schon ist die eigene Meinung von damals Käse und als Puhdys-Fan stimmt man natürlich in den „Singsang seiner Idole“ mit ein. Egal, was man vorher noch völlig anders formuliert hatte. Auf ein Mal „war es (doch ein wenig) schön“. Was hab’ ich in den letzten Tagen in mich hinein gegrinst! –

Doch diese „Schiffsouvertüre“ dauert nur kurze 38 Sekunde, dann krachen schwere wuchtige Akkorde in die tosende See, auf der „Unser Schiff“, also das der Puhdys, auf schwer stampfenden Wogen, irgendwo zwischen Rammstein und Apokalyptika, schippert. Das sind die Puhdys, wie man sie seit Jahren kennt und doch meine ich, tief im Innern noch mehr zu spüren, wenn sie singen „uns hat es nicht umsonst gegeben“. Darin liegt eine Menge Nachdenklichkeit auf manch stolz gelebtes Leben, ein Stolz, den so mancher, den ich kannte, sich nun wahrscheinlich traut, wieder heraus zu holen und auszusprechen. Nur statt diesem lapidaren „La La Lei“ als Füllmasse hätte ich mir doch eher ein schneidendes Gitarrensolo a la Ehle oder Hassbecker gewünscht.

Mit dem folgenden „Draussen warten die Sterne“ ist der Band einer ihrer typischen Ohrwürmer gelungen, der sich vor allem durch seinen Refrain und den überraschenden Break in Maschine’s Gesang, aber auch durch die entstehenden Assoziationen, die sich jeder selbst farbig ausmalen kann, in die Gehörgänge frisst. Die positive und glückliche Grundstimmung kann man dann gleich mit hinüber nehmen zum Titelsong „Es war schön (einfach schön)“. Hier darf jeder nach Belieben in seinen eigenen schönen (Jugend?)Erinnerungen schwelgen und wer bisher meinte, dass jeder, der in einer Diktatur lebte, auch gleichzeitig ein kleiner Diktator war, darf nun, DANK der Puhdys, diese Meinung noch einmal überdenken und merkt dann vielleicht, dass er selbst ja auch Freunde und glückliche Erlebnisse in jenen Jahren hatte. Ein Bösewicht, der anderes in diesem Song zu finden sucht. Für mich sind die „Sterne“ und dieses „Schön sein“ eine inhaltliche Einheit von Gleichklang und Gegensatz, so wie das wahre Leben auch, in dem so viele „unheilbare Wunden mit Schweigen zugedeckt“ werden, weil die bittere Wahrheit keiner hören, lesen oder wissen soll – Afghanistan, Schmiergeldaffären & Co. lassen grüßen. So nah am politischen Zeitgeist, wie mit dieser „Hoffnung“, war die Band schon lange nicht mehr und die Fragen stellen sich weiter, wer „Wenn ein Mensch (stirbt)“ auf sich wirken lässt.
Mir gingen eine Menge Namen durch den Kopf und aktuell, während ich dies schreibe und „Ein Lied, das nicht vergisst“ höre, denke ich an meine ehemalige Klassenlehrerin Gisela, die in diesen Tagen einen schier aussichtslosen Kampf gegen den Krebs kämpft, und der ich auf einer Facebook - Seite auch ein paar unbeholfene Worte gewidmet habe. So viele Fragen nach dem WARUM und WIESO und nicht immer findet man eine befriedigende Antwort. Mal ganz davon abgesehen, dass hier gekonnt ein gigantischer Bogen weit zurück bis „Wenn ein Mensch lebt“ gebaut wird, quasi wie ein vorsichtiger Rückblick. Der Song trifft mich mitten im Leben und in mein Herz, siehe Gisela, und ein anderer, „Für dich lebe ich“, holt mich aus der Lethargie wieder raus.

Schnitt! Wer die LP „Computer Carriere“ (1983) im Ohr hat, wird jetzt „Oups!“ ausrufen, denn genau auf diese Scheibe würde der Sound von „Die Welt ist ein Wunder“ auch passen. Nicht, weil 30 (!) Jahre dazwischen liegen, sondern, weil der Song genau so frisch daher kommt, wie damals genau diese Scheibe. Und endlich singt Quaster auch mal wieder und darf eine richtig geile Lead - Gitarre einspielen. Rock’n’Roll – Show pur und Rock’n’Roll ist auch „Einfach leben“, ein Stück Lebensfreude irgendwo zwischen Status Quo und einem Chorus, der auch einem „Rocket Man“ von Elton John zur Ehre gereichen würde, als er noch Rockmusik machte. Wer sich direkt danach mal „Biko“ von Peter Gabriel auflegen sollte, kann sich auf ein weiteres Aha-Erlebnis gefasst machen. Und dann gelingt es den PUHDYS sogar, einen Blues in ihre Platte einzuschummeln, lasziv, locker, ein wenig hinterhältig und mit einer Mundi machen „Heut’ ist wieder so ein Tag“ aus. Mehr davon, kann ich da nur sagen!

Beim wiederholten Hören der Lieder bleiben bei mir immer mehr Zeilen hängen. Das scheint mir eine der Stärken der neuen CD zu sein. Unweigerlich genießt man nicht nur die Melodien von „Wieder Zu Hause“ und „Ein Lied, das nicht vergisst“, sondern bei mir fressen sich auch Worte wie „Bevor die Zeit sein buntes Leben schwärzt“ fest, weil sie wie aus meinem eigenen Leben gemeißelt scheinen. So viele Freunde, so viele liebe Menschen, die schon gehen mussten und während ich ihrer gedenke, reißt mich der abschließende Chor in einem Wirbel der Emotionen mit. Wirklich großes Kino und eine tolle Umsetzung einer schwierigen, aber leider auch sehr aktuellen Problematik, mit der sich ein jeder von uns urplötzlich konfrontiert sehen könnte.
Das zieht sich hin bis zum letzten Song „Aus der Tiefe des Herzens“ und mit dem Gesamtwerk von „Es war schön“ gelingt es den Puhdys endlich mal wieder, einen ihrer Skeptiker zu überzeugen, der „Wie ein Engel“ aus dem Jahre 1992 für ihre letzte gute Scheibe hält und sich nach 20 Jahren wieder überraschen und zum Hören verleiten lässt. Kompliment, meine Herren. Ich kann nicht verleugnen, dass die Jungs von genau den Generationen singen, die sie vom Jugendtanz in der Dorfkneipe, über die ersten Konzerte, die Werkstattwochen bis zur Wende und zur LP „Wie ein Engel“ begleitet haben. Danach konnte ich lange Zeit mit ihnen und ihrer Musik, die mir eher den Verkaufzahlen nachzuhetzen schien, nicht mehr viel anfangen. Jetzt endlich wieder.

Wer seine Hörer so tief auf eine Reise in seine eigene Gedankenwelt mitnimmt, wo er viel über das Leben, Nachdenkliches, gar Schmerzliches, viel vom Altern, aber auch vom Glück erfährt, sollte auch die äußere Hülle, in der das steckt, entsprechend gestalten und genau das ist den Machern gelungen. Im Alter sehen unsere Gesichter halt anders aus, als damals und die Landschaften, in denen dieses Leben stattfand, ebenfalls. Fast könnte man meinen, das Leben sei schon am finalen Punkt angelangt, wäre da nicht der Fluss (des Lebens?), der sein Wasser aus dem Landschaftsgesicht heraus ins Irgendwo führt und wer weiß schon heute, was dort noch alles kommen wird. Egal, wie man diese Frage beantwortet, nur die Zukunft weiß eine Antwort darauf, wie dann Gesichter und Landschaften aussehen werden und ob dann noch jemand eine Gitarre spielt, womöglich noch spielen kann?

Die Zeit hat die Rocker und uns manchmal in gänzlich unterschiedliche Richtungen gejagt und genau davon scheinen die Lieder der CD eine Menge zu erzählen und genau deswegen werden sich auch endlich viele darin wieder finden. Durch die neue Scheibe zieht sich fast durchgängig eine Stimmung, die so kompakt bisher nicht in Songs der PUHDYS zu vernehmen war, denn nach langen 43 Jahren gemeinsamer Band-Historie darf man auch mal zurück schauen und seine Gedanken spielen lassen. Dabei entdeckt der geneigte und kritische Hörer ebenso Profanes und Erstaunliches, wie, dass es auch schön war in diesem, unseren und ihrem Leben! Den Puhdys sei es gedankt und wieder muss ich ein Mal mehr schmunzeln, siehe oben. Es hätte eine „stinknormale“ weitere CD werden können, doch „Es ist schön“, dass es anders gekommen ist.

Angefügte Bilder:
Puhdys CD Cover.jpg
puhdysrueckseite.jpg

www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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#2

RE: Puhdys - "Es war schön"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 04.05.2013 14:22
von Dranda | 99 Beiträge | 230 Punkte

Ick muss gestehen...ick hab sie NICHT...Asche auf mein Haupt! Nun ja nich janz mein Ding die CD...
wobei die 2 Titel die es irgendwo dazu jab (Jeder Ton u Sei Still) genial sind, nur leider nich drauf, daher nich interresant für mich is!
So kann es gehen...




http://gnadenlosetraeumer.jimdo.com/
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#3

RE: Puhdys - "Es war schön"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 04.05.2013 15:34
von Maschine62 | 9 Beiträge | 19 Punkte

Hartmut, das hast du wunderbar geschrieben, hat mich dazu "verleitet" die Scheibe bewußter zu hören und zu genießen. LG Jörg


Was bleibt sind Freunde im Leben
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#4

RE: Puhdys - "Es war schön"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 04.05.2013 16:17
von Ingo | 452 Beiträge | 972 Punkte

Hartmut, wirklich genial geschrieben.
Es war schön deine Rezension zu lesen und nicht etwa die offizielle z.B. von Universal. War jetzt nur ein Beispiel.
Da weiß man, das hat jemand geschrieben, der jahrzehntelange Erfahrung mit dieser Art Musik hat - und das ist auch gut so. Auf deine Platten-Kritiken kann man sich verlassen.
P.S. Mein CD-Exemplar mußte ich mir schon 3x neu kaufen.
Immer wieder (gern) verschenkt, ein Exemplar wird jetzt z.B. in Barcelona gehört und ich hab mir letzte Woche bei der Neueröffnung unseres MM nochmal 2 Stück für je 5€ geholt.
Klingt jetzt wie Ramsch-Preis, aber ich hab auch in unserem "Medimops"-Laden "Lady Gaga"s CD für einen Euro bekommen. Die Relationen stimmen also wieder.
LG Ingo


Alles was zu Ende ist, kann auch Anfang sein.

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