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MITCH RYDER & ENGERLING live in der Tante Ju, Dresden
MITCH RYDER & ENGERLING live in der Tante Ju, Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 16.02.2014 08:47von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Mitch Ryder & Engerling in der Tante Ju (14.02.2014)
Manchmal wird man ja gefragt, welche Art von Musik man bevorzugt hört oder welche man am meisten liebt und dann antworte ich seit vielen Jahren, dass Musik bei mir direkt im Bauch landen oder meine Seele berühren muss. Am liebsten beides gleichzeitig. Dann erkenne ich sie als „meine Musik“ und es ist völlig egal, ob da gerade die unvergessenen Byrds „Change Is Now“ singen oder eine der „Suiten“ von Bayon erklingt. Schubladen existieren für mich nicht, meine Sammlung ist von
A bis Z sortiert und mittendrin steckt dann eben E wie ENGERLING. Kein Wunder also, dass ich bei intimen Lieder-Abenden von Tiny Vipers ebenso zu finden bin, wie in einem verschwitzten Blues-Schuppen, wo der Boogie-Woogie kracht. Jedes zu seiner Zeit oder wenn sich die Gelegenheit bietet, eine Rock-Legende aus scheinbar längst vergangenen Zeiten, an die man sich kaum noch zu erinnern glaubte, endlich doch noch live und verschwitzt zu erleben. Jedes Mal ist es in diesem Moment genau die Musik, die ich mag und die mir etwas gibt.
MITCH RYDER ist für mich so eine Legende, ein Name, der meine Erinnerungen bis in die 1960er Jahre zurück gleiten lässt. Damals ging es nicht und bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, diesen Mann, der sein heimatliches Motown-Gefühl und den schwarzen Soul mit seinen DETROIT WHEELS aus der Autostadt in das hektische New York City transportierte, wo damals der Rock’n’Roll tobte. Dort entstand sein eigener Sound, diese unverwechselbare Melange, aus denen auch seine ersten großen Hits geschmiedet waren und nach deren heißen Rhythmen wir auch hier tanzten. Für mich ist dieser unscheinbare Typ, neben ERIC BURDON, einer von den wenigen, die den schwarzen Soul & Blues auch ohne dessen Hintergrund authentisch erklingen lassen. Grund genug, es endlich zu tun und dem Erlebnis von Altmeister ERIC BURDON nun auch ein Konzert mit ihm, MITCH RYDER, hinzu zu fügen. Ich brauchte mal wieder dieses wütende Stampfen in der Menge, dieses Ausschwitzen und Zucken des Körpers und das Entfalten der Gefühle.
ENGERLING kenne ich nun auch schon seit ihrer gesungenen Geschichte von „Mama Wilson“ und der damit verbundenen Erkenntnis, dass es auch „auf deutsch“ geht. Das habe ich mir 1978 im September bei einer Preisverleihung in Berlin von GERD LEISER auf dem Cover der Single bestätigen lassen und seither laufen wir uns immer mal wieder und gern über den Weg. Die (ost)deutsche Blues-Legende ist so etwas wie eine Konstante in meinem Leben geworden, meinen beiden Kindern vergleichbar, die ich habe und nur noch ab und an sehe. Will man sie sehen, muss man sich etwas einfallen lassen oder sich bewegen. Also finde ich mich, nach kurzer Autofahrt, in der TANTE JU von Dresden wieder und werde auch prompt von Gerd Leiser begrüßt, der wie stets die Tour des Amerikaners hierzulande mit seiner deutschen Begleitband namens ENGERLING begleitet.
Draußen ist es verdammt frisch, aber drinnen kurz vor 21.°° Uhr ziemlich warm, weil angenehm voll, als ENGERLING, um GISBERT PIATKOWSKI an der Gitarre verstärkt, die Bühne entert. Das trockene Riff des „Rock’n’Roll“ kracht von der Bühne und für einen Moment meine ich tatsächlich, darin ganz hinterlistig versteckt ein freches „Beat It“ zu erkennen. Das fängt ja gut an, denke ich, als der Mann ganz in schwarz gekleidet, mit seiner dunklen Sonnenbrille und dem Hut darüber, vor das Mikro tritt. Schon mit den ersten Tönen ist klar, der alte Ami hat Magie in seiner Stimme. Schien MITCH RYDER gerade eben noch ganz entspannt, explodiert er jetzt förmlich, um uns sein „Rock’n’Roll“ in die Menge zu donnern und uns, den Boogie in unseren Füßen, von der „Long Hard Road“, unterstützt von den beiden Gitarren, zu erzählen. Die gerade noch in aller Ruhe neben mir quasselten, sind plötzlich völlig aus dem Häuschen und lassen ihre Körper im stampfenden Rhythmus von „Ain’t Nobody White (Can Sing The Blues)“ kreisen, während (trotzdem) ein weißer Mann vor mir den Blues singt.
Im Laufe des Abend entpuppt sich MITCH RYDER als einer, der plaudernd kleine Brücken zwischen seinen Songs baut, indem er kurze Geschichten einfügt oder einfach nur mal so anbietet, demjenigen 100,00 Euro geben zu wollen, der ihm im Laufe des Abends einen Fehler nachweisen könne. Die kleinen Witzeleien machen ihn zusätzlich sympathisch und meinen Respekt hat er, als er uns „War“ singt und auch sagt, warum ein Amerikaner das singt. Die Band um WOLFRAM „Boddi“ BODAG an den Tasten hat sichtlich Freude daran, diese Nummer auszuweiten, damit sich die beiden Gitarristen, HEINER WITTE zur linken und GISBERT „Pitti“ PIATKOWSKI an der rechten Bühnenseite, die Soli zuspielen können. Noch intensiver wird das Spiel der Band mit dem nächsten Song. Bei „The Terrorist“ steigt MITCH RYDER tief hinab in die menschliche Seele, windet sich und lässt seine Stimme stöhnen und flehen: „Nobody loves me, I’m looking für love.“ Ein beeindruckend heißes Statement mitten in einer unterkühlten und verlogenen Gesellschaft der gezielten Vereinsamung. In diesen Minuten hämmert uns die Band den stampfenden Boogie in die Knochen und gießt den Blues in glühende Gedanken, dass es mich leise schaudert. ENGERLING und MITCH agieren in Höchstform, getrieben von RONNY DEHN hinter dem Schlagzeug und MANNE POKRANDT mit den fetten Bass-Saiten, singt uns der alte Mann aus Detroit seinen amerikanischen Lebensblues und mir scheint, nichts ist in diesem Momenten wichtiger.
Von den Klängen der Slide-Gitarre getragen, die HEINER WITTE schmerzlich wimmern lässt, stöhnt uns MITCH RYDER „Mercy“ in die Magengrube. Heiß und kraftvoll ist dabei seine Stimme, die bis tief unter die Haut geht. In der stickig schwülen Luft lasse ich mich treiben und eine Steigerung scheint kaum noch möglich. MITCH plaudert wieder, erzählt uns die Geschichte eines Mannes, der eine Frau findet, die wiederum schon ein Kind hat und dessen Gedanken, was denn nun geschehen möge, packt er in einen fesselnden Blues. Er hat sie in dem ergreifenden Song „Dear Lord“ komprimiert. Das Teil haut mich nun vollständig vom Hocker. Es ist ein Wechselbad der Gefühle zwischen zarter Liebe und schmerzlichen Aufschrei, das uns MITCH RYDER, in einen Blues gekleidet, miterleben lässt. So wie er das macht, nehme ich ihm jeden Ton, jede Silbe ab und muss dann sogar bei „Freezin’ In Hell“ eine Steigerung erleben, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Es ist der alte weise Mann, der all seine Lebenserfahrung in klagende und aufrüttelnde Blues-Fragmente verpackt hat und sie jetzt und hier vor uns ausschüttet, wie das Erleben einer langen Reise. Dabei mischt er gekonnt einige steinalte Kassiker - „Too Many Fish“ hat er 1965 aufgenommen - mit einigen neuen Songs und wer möchte, kann sich das alles auch auf seiner aktuellen Live-CD anhören und dabei spüren, wie das alles aus einem Guss und aus einer Seele kommend wirkt.
Als die Nacht schon weit vorgerückt ist und die Klamotten vom Schweiß nass und beinahe alle Songs gespielt und gesungen sind, greift der weise Weiße noch einmal tief in seine Kiste. Die beiden Meister an den Gitarren, HEINER WITTE und GISBERT PIATKOWSKI schnappen sich ihre Akustik-Gitarren, um Mitch, auf dem Podest sitzend, bei „Heaven Takes You“ gefühlvoll zu begleiten. Das wirkt schon rein optisch beruhigend, als dann aber MIITCH RYDER seine rauchige Stimme über die zarten Saitenklänge gleiten lässt, ist Gänsehautstimmung angesagt: „Baby don’t you feel, Mom and Dad are near.“ Da hätte ich vor dieser Rampe einfach nur heulen können, so viel tiefe Schönheit liegt in diesen Tönen. Da habe ich noch nicht richtig ausgeträumt, als es noch ein weiteres Mal weit in die eigene Jugend zurück geht. „All Along The Watchtower“ ist wie ein magischer Trip auf tobenden Gitarrensaiten und Pitti spielt die alte Hendrix-Nummer wie entfesselt, während der Meister am Mikrofon „outside in the cold distance a wild cat did growl … and the wind began to howl“ schreit und stöhnt. Dem nehme ich jedes Wort ab.
Dass da vorn noch MANNE POKRANDT seinem Bass ein verspieltes Solo und den „Zigeunerjungen“ entzupft und der heiße Abend dann noch mit „Soul Kitchen“ endet, gibt dem Erleben noch den letzten Glanz, während in mir das Adrenalin rast und meine Erinnerungen wie im Kreis gepeitscht werden. Das sind jene Momente, wo mir „outside in the cold distance“ schlicht am Arsch vorbei geht, weil dieses „kalte Draußen“ von der Wärme der Emotionen, wie von einem Sturm, einfach hinweg gefegt wird. „Schuld“ daran ist dieser faszinierende MITCH RYDER und dessen unaufdringliche Art, das Geschehen und die Gedanken zu lenken, ohne sie zu zwingen. In der TANTE JU erleben wir einen großartigen Blues & Soul-Abend und auch ein Stück gesungene Geschichte, ohne dass es kaum jemand bemerkt hätte. Man kann es auch ganz großes Kino nennen, weil diese Musik so ehrlich, so impulsiv und so körpernah daher kommt und genau das stellt den Mitch auch in eine Reihe mit Größen wie Eric Burdon oder Roger Chapmann. Das weiß ich jetzt endlich aus eigenem Erleben. Danke Mitch und danke Gerd für diesen Abend.
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: MITCH RYDER & ENGERLING live in der Tante Ju, Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 19.02.2014 13:30von Mary • | 327 Beiträge | 726 Punkte
2014 muss ich auf mehr Musikevents verzichten, als mir lieb ist...
Spätdienst kannte ich bisher nicht. Seit diesem Jahr ist das nun anders
Auch an diesem für mich interessanten "Tante-Ju-Abend" durfte ich im Job meinen Mann(Frau) stehen.
Manchmal schaffe ich nach dem Dienst noch einen Teil der Konzerte, manchmal "darf" ich auch etwas eher gehn. Diesmal ging es nicht.
Dank HH kann ich mich nun über das Konzert informieren - Klasse!
Andererseits steckt auch 'ne Träne im Knopfloch, da ich nun weiß, WAS ich verpasst habe...
Ich habe es bisher noch nicht geschafft, Mitch Ryder zu erleben, dabei gab es schon zahlreiche Konzerte dieser Art.
Wie gern lieber Hartmut wäre ich mit Dir zusammen auf diese Entdeckungsreise gegangen..., da ja auch Du M. R. an jenem Abend zum ersten Mal live erlebtest...
Es sollte nicht sein.
"Ihr lacht weil ich anders bin. Ich lache, weil Ihr alle gleich seid."
Kurt Cobain
RE: MITCH RYDER & ENGERLING live in der Tante Ju, Dresden
in Konzertberichte 2019 und älter 24.02.2014 12:11von Frank • | 483 Beiträge | 1025 Punkte
20 Jahre Mitch Ryder und Engerling
Ich habe überlegt, ob ich ein neues Thema eröffne oder hier schreibe.
Nun entschied ich mich für hier, obwohl das Konzert in Halle (Saale) war.
Am 19.02.2014 waren Mitch Ryder und Engerling mit den Gästen Gisbert Piatkowski ( RENFT ) und Ronny Dehn ( SILLY ) im "Objekt 5",
das ist ein kleines Lokal an der Burg Giebichenstein.
In Vorbereitung auf das Konzert kauften wir die MonatsCD von Objekt 5, auf der 4 Titel mit Mitch Ryder & Engerling sind.
Für uns war es nunmehr das 3. Konzert, denn schon 2011 und 1013 erlebten wir die Musiker dort.
Hartmuts Bericht ist so ausführlich und gibt die Stimmung(en) wieder, wie wir das auch empfunden haben.
Im Vergleich zu 2013 war Mitch Ryders Kondition wesentlich stabiler.
Seine Frau begleitet ihn auf allen Touren. Diesesmal war sein älterer Sohn auch dabei. Er filmte Auftrittspassagen für eine mögliche neue DVD.
Bei "kunostv.de" entdeckte ich einen Beitrag über Mitch Ryder und Engerling, der u.a. von seinen Anfängen berichtet, seiner Arbeit in den Staaten, die Entstehung der Zusammenarbeit mit Engerling. Hochinteressant waren/sind auch seine politischen Ansichten. Wer sich für den Beitrag interessiert, gibt bei Google den Suchbegriff ein und findet Kuno`s TV mit vielen interessanten Beiträgen. Zurzeit ist Mitch Ryder und Engerling an 1. Stelle.
In Halle trug er ein dunkelgaues Hemd, später ein dunkelgrünes. Die Sonnenbrille gehört dazu.
Es war ein exzellentes Konzerterlebnis. Fürs nächste Jahr ist die Teilnahme wieder geplant.
Hier ein paar Fotos.
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