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ROGER CHAPMAN & THE SHORTLIST live in der Tante Ju, Dresden

in Konzertberichte 2019 und älter 08.12.2013 18:32
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Roger Chapman & The Shortlist – der Orkan nach Xaver (07.12.2013)

Fast möchte man meinen, dieser ROGER CHAPMANN ist schon immer und ewig oder seit Urzeiten in der Rock’n’Roll – Familie unterwegs und die Jüngeren mögen das bitte auch glauben. Wer kann sich denn heute noch vorstellen, dass „Chappo“ seit 1966 (!) bei einer Band namens FARINAS den Gesang und damit das Mikrofon übernahm, ehe er schon vorher einige Jahre bei lokalen Bands seine Stimme trainiert hatte. Schon ein Jahr später, nämlich 1967, wurde die Band in FAMILY umbenannt und hinter dem Bühnenmikrofon tobte und sang ROGER CHAPMAN, dessen charismatische Bühnenpräsenz aus dieser Rocker-Familie eine echte Live-Attraktion machte. Der Typ steht schon locker 50 Jahre auf der Bühne und macht selbst keine Sensation daraus.
THE FAMILY spielte eine wilde Mischung aus Rock & Blues, irgendwo zwischen musikalischem Wagnis und ungebremsten Drang nach Experimenten sowie mit viel instrumentaler Finesse, genau so, wie es damals viele Bands ausprobierten, um ihren eigenen Stil zu finden. Das besondere aber war wohl das Wechselspiel von Violine und Saxophon, das in frühen Zeiten den Sound prägte. Darüber klang die rau vibrierende unverwechselbare Reibeisenstimme von „Chappo“, des Mannes mit den schulterlangen Locken. THE FAMILY war ein Live-Ereignis, so schrieb man in der Presse, sie konnte diese Atmosphäre aber im Studio für ihre Plattenproduktionen nicht einfangen. Doch ihr erstes Album „Music In A Doll’s House“ (Musik in Puppenhaus, 1968) konnte noch die Kritiker und Fans gleichermaßen überzeugen und steht für mich wertmäßig auf dem gleichen Level wie etwa die „SGT. Pepper“ der BEATLES. Letztlich jedoch ging diese schräge und wilde Mixtur am Geschmack der Massen vorbei und schon bald danach begann sich das Personalkarussell in der Band zu drehen. Mit jeder weiteren Album-Veröffentlichung änderte sich auch das Klangbild ein wenig. Nach sieben Alben und reichlich sechs Jahren Tourstress löste sich die FAMILIE 1973 auf. Der kreative Teil der Musikergemeinschaft aber machte schon 1974 als STREETWALKERS, mit CHAPMAN am Mikrofon, für einige Jahre weiter.

CHAPMAN startete 1978 eine Solokarriere und die hält, gemeinsam mit seiner Band THE SHORTLIST, bis in die heutigen Tage erfolgreich an. Zu Beginn der 1980er Jahre sah ich im ROCKPALAST eines seiner Konzerte und war von der Energie, die dort zu erleben war, begeistert. Der ganz große Erfolg jedoch war ihm erst 1983 durch die Zusammenarbeit mit MIKE OLDFIELD beschieden, auf dessen Album „Crisis“ er mit „Shadow On The Wall“ (Schatten an der Wand) einen weltweiten Hit landen konnte. Satte dreißig Jahre danach steht „Chappo“, wie ihn seine Fans liebevoll nennen, mit seinen über 70 (!) Lenzen noch immer auf der Bühne und begeistert mit seiner explosiven Mischung auch die Rockergeneration von heute. Die von damals sowieso. Das zu erleben, war mir bisher nicht vergönnt, aber es gibt ja zum Glück die gute alte TANTE JU in Dresden.

Die ist an diesem nasskalten Dezemberabend nach dem Sturm Xaver zunächst gut gefüllt, denn vor den Weltstar hat der Chef der JU wieder einmal eine lokale Band gesetzt. Die Dresdner Musiker von „eigenARTig“ haben es nicht gerade leicht mit ihrem eigen-artig anderem Klangbild, das neben der klassischen Kombination Gitarre, Bass und Schlagzeug noch zusätzlich Maultrommel und Didgeridoo einbezieht. Das ist sicher ungewöhnlich und so stimmen die Songs von EIGENARTIG auf besondere Weise auf das eigentliche Ereignis ein. Die fünf Jungs der Dresdner Band, sowie die Lady am Bass, sollte man im Auge behalten und neugierig warten, wie „eigen-artig“ anders sich die Kapelle weiter entwickeln wird.

Während die Bühne beräumt wird, füllt sich der Live-Club ordentlich. Natürlich bin ich froh, vorn an der Rampe zu stehen, wo ich hoffe, alles gut überschauen zu können und dann stellt mir doch tatsächlich einer der Roadies so ein Notenpult rechts in die Bühnenmitte und genau vor meine Nase. Selber schuld, denn Chappo wird es schwer haben, mich hier vorn stehen zu sehen. Dessen Band ist schon auf der Bühne und zum aufschwellenden Klang einer mir gut bekannten Gitarrenfigur spielt sich die Band langsam ein und wenige Sekunden später kommt ROGER CHAPMAN auf die Bühne, schnappt sich das Mikro und dann beginnt der andere Hurrikan nach Xaver für zwei Stunden hier zu toben. Die Eröffnung mit „Higher Ground“, einem seiner Klassiker, stampft wie eine sich warm laufende Maschine durch den Saal und reißt die Massen hinter mir mit. Von Null auf hundert binnen weniger Augenblicke, vom rauen Gesang eines rockenden Veteranen mitgerissen.

Der spult von nun an einen Knaller nach den anderen routiniert, aber sichtlich voller Emotionen und mit vollem Körpereinsatz ab. Auf „Check It Out“ folgt „My Sweet Desiree“ und jedes Mal blättert er auf dem Notenbild suchend weiter und wenn er was sagt, dann meist einen Satz mit „fucking“ mittendrin, was ihn dann endgültig als schnoddrigen Engländer erkennbar macht. Chappo benutzt sein erstes Handtuch und schleudert es unter dem Jubel der Massen an die Bühnendecke. Zuvor hatte er sich das Wasser aus der Flasche über den Kopf gegossen und die Bottle in hohem Bogen in den Hintergrund der Bühne befördert – rockin’ & rollin’. Keine Sekunde Stillstand, als hätte er Treibstoff getrunken. Es macht einfach nur höllisch Spaß!

Direkt vor mir spielt einer der besten Gitarristen dieses Planeten. GEOFF WHITEHORN hat schon für PAUL RODGERS gerockt und bei PROCOL HARUM mit den Saiten gezaubert. Der Mann hat dereinst keinen Geringeren als PAUL KOSSOF beim „Back Street Crawler“ beerbt und für manchen Giganten den Sound vergoldet. Da stehe ich also, wahrscheinlich mit glänzenden Augen, und bewundere sein präzises Spiel mit den Saiten, während auf der Bühne ein Blues-Klassiker aus den 1970ern nach dem anderen abgefeuert wird. Mal schwer rockend und stampfend, dass es Chappo von einer Bühnenseite zur anderen treibt, um dann wieder, wie bei „Moth To The Flame“ (Motte zum Licht), intensiv einen Slow-Blues zu zelebrieren, bei dem sich Gitarre und Saxophon weit elegisch ausbreiten können. Zum Mitheulen schön!
Die Band läuft längst auf Hochtouren und CHAPMAN, dem Frontmann, steht der Schweiß nicht nur im Gesicht. Auch GEOFF WHITHORN schwitzt mit mir von Angesicht zu Angesicht und JOHN LINGWOOD, der sich hinter seinen Becken und Fellen versteckt, greift ebenfalls zum Handtuch. Kaum zu glauben, dass der Drummer, der auch schon bei MANFRED MANN’s EARTHBAND den Rhythmus bestimmte, so ein unscheinbares Drum-Set mit riesigen Becken oben drauf benutzt und damit wie ein Uhrwerk die Band vor sich her treibt. Nur die beidem am Bass, GARRY TWIGG, und an den Tasten, PAUL HIRSH, verrichten still und unaufgeregt ihren Job, während NICHOLAS HUGH PAYN mit Saxophon und Mundi schon mal dezent den Schalk blitzen lässt, indem er das Spiel seiner Kollegen parodiert. Köstlich!

Es ist dennoch die Show von Altmeister ROGER CHAPMAN, die wir erleben. Der tobt sich bei seinem „Prisoner“ richtig aus und die Meute hinter mir brüllt laut mit: Prisoner - Gefangener! Die Meute ist gefangen im Blues & Rock-Rausch und Chappo stampft über die Bühne und röhrt sein Vibrato ins Mikro. Mit nassem Hemd, die Augen oft geschlossen, um Sekunden sich später wie ein Bogen nach hinten zu biegen und die nächste Attacke über unsere Köpfe zu jagen. Es soll ja keiner glauben, dem könne irgend einer etwas vormachen, wenn er uns über neun lange Minuten den „Blind Willie McTell“ gibt und im Blues schwelgt! Spätestens in diesem Momenten merkt man, dass dieser CHAPMANN schon immer der bessere Cocker war, denn er blieb dem Rock und Blues treu und lebt dessen Seele live auf der Bühne aus. Da bin ich einfach nur noch weg und alle und sicher klingeln BOB DYLAN gerade die Ohren, so intensiv übernimmt CHAPMAN seinen Song. Was für eine Stimme und was für eine Atmosphäre im Rausch von Saxophon und GEOFF’s geiler Gitarre.

Nicht anders erlebe ich auch den rockenden „Son Of A Red Moon“ (Sohn eines roten Mondes) und so ganz nebenbei fädeln CHAPMAN & Co. die alte Nummer „16 Tons“ in das Stück ein. Boogie und Blues pur aus allererster Hand. Herz was willst du mehr?! Die Masse tobt und als sich dann zwischen den frech eingefügten Gitarrentupfern von „Voodoo Chile“ endlich „Shadow On the Wall“ ankündigt, ist keiner mehr zu halten. Jetzt ist bei allen, zumindest beim Refrain, mitsingen angesagt. Der Welthit klingt live zum Glück nicht so ausgeleiert wie im „Dudelradio“, sondern bekommt noch einmal richtig scharfe Kanten und trockenen Sound. Klasse.
Unmerklich ist damit das Ende der Show erreicht und Chappo trägt sein schweißnasses Hemd auf dem Körper hinter die Bühne, um es wenige Augenblicke später genau so, wieder am Mikrofon stehend, zu präsentieren. Als Zugabe gibt es mit „Jukebox Mama“ heißen Bluesrock und mit „Midnite Child“ noch einmal richtig satten Boogie Woogie, bei dem sich Mundi und Gitarre vor mir die Kante geben, dass die Fetzen fliegen. Noch einmal wogt die Menge im Takt und als dann als Rausschmeißer noch „Let’s Spend The Night Together“, der alte Stones-Klassiker, über die Rampe donnert, brennt die Luft unter der Decke der TANTE JU und während der letzte Ton verklingt, gibt es von Chappo noch Wünsche für ein „fucking“ Merry X-mas.

Nach so einem Abend bin ich immer voll wie eine Batterie. Es zuckt in mir, als wäre ich Mr. 100.000 Volt, und es wühlt, nach so viel heißem Blues und dreckigem Rock’n’Roll. Schön, dass es Leute gibt, denen es ähnlich geht und mit denen man noch ein paar wenige Worte wechseln kann. Einige sind sogar aus dem benachbarten Tschechischen gekommen. Nach dem Konzert gelingen noch ein paar Schnappschüsse und die Cover von „Crisis“ und „Live In Budapest“ haben jetzt einen Schriftzug auf der Rückseite. Möglich ist das alles aber nur, weil mit GUNTHER REHLIG, einem ehemaligen Musiker, ein Team in der TANTE JU werkelt, das sowohl ein Gespür für die Wünsche der Fans, als auch ein feines Händchen für die Befindlichkeiten von Musikern beweist. Dafür sei an dieser Stelle ausdrücklich und persönlich einmal DANKE gesagt und natürlich auch der Wunsch ausgesprochen, so möge es auch in Zukunft bleiben.

Wer mehr sehen möchte, dem empfehle ich einen Blick hierher: http://www.mein-lebensgefuehl-rockmusik....ie%20Tante%20Ju

Angefügte Bilder:
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www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
zuletzt bearbeitet 08.12.2013 18:35 | nach oben springen


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