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DAVE PEABODY (UK) & REGINA MUDRICH (D) live in Halberstadt
DAVE PEABODY (UK) & REGINA MUDRICH (D) live in Halberstadt
in Konzertberichte 2019 und älter 03.10.2017 18:03von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
In den Jahrzehnten als Konzert-Veranstalter, Rock-Fan und Konzertgänger habe ich vor und hinter den Bühnen eine Menge erlebt. Begebenheiten und Momente, die man sich eigentlich nicht vorstellen kann. An diesem Wochenende hat jemand in Halberstadt diesem Katalog einen weiteren Mosaikstein hinzugefügt. Stellt Euch vor, es ist ein Konzert angekündigt, alle sind da, aber keiner öffnet die Tür .....
Dave Peabody & Regina Mudrich – klassische Violine trifft britischen Blues
Oder: Wenn der faule Amtsschimmel ruht, muss die Stadt sich zum Schlafe legen.
Der Domplatz erscheint an diesem Sonntagabend müde. Darunter der Parkplatz macht es ebenso und beide strahlen eine tiefe Ruhe aus. Halberstadt will schlafen gehen. Vor der Tür zum Bibliothekskeller jedoch steht ein schwarzes Auto in der Abendstunde mit einem Engländer daneben. Beide warten und hoffen. Er hofft, seiner musikalischen Partnerin möge es gelingen, einen Schlüssel aufzutreiben. Das hoffen auch die Gäste, die Karten erwarben, um DAVE PEABODY & REGINA MUDRICH live im Konzert zu erleben. In der Notsituation hilft dem Künstlerpaar und den Wartenden das Team vom Papermoon um die Ecke. Es gibt sie doch noch, die spontane Nachbarschaftshilfe, während der Amtsschimmel vor seinem Trog satt und müde wiehert und eine kleine Schar von Konzertbesuchern fassungslos einem unterhaltsamen Konzertabend, wenige Meter weiter, entgegenfiebert.
Sie scheinen ein ungleiches Paar zu sein. Sie, geboren in der DDR, in Nordhausen aufgewachsen und in Weimar Violine studiert, versteht es zudem ausgezeichnet, sich malerisch auszudrücken. Er kommt aus Middlesex im Süden Englands, wächst dort in die Gilde der Songwriter und Bluesgitarristen hinein und hat seine Songs auf ungezählten (vierzig) Alben veröffentlicht. Klassische Violine, Bluesgitarre und elegantes britisches Folk- & Jazz-Feeling, eine Mischung, die aufhorchen lässt. Mir fallen sofort einige klangvolle Namen ein, denn Fiddle und Gitarre gehören in England zusammen, wie in Deutschland der Zerrwanst und Drehorgel. Schon über ein Jahr warte ich darauf, die beiden Individualisten gemeinsam live erleben zu dürfen. Heute sind sie sogar direkt nach Halberstadt gekommen. Statt stilvoll im Keller, sitze ich nun gemütlich am Tresen in der Kulturkneipe Papermoon und während zwei Musikanten sich in der Ecke für ein Konzert einrichten, liegt irgendwo in Halberstadt ein unbenutzter Schlüssel herum.
Minuten später, und trotz der Umstände fast pünktlich, ist es bei „Careless Love“ schon gemütlich und beinahe so, als wäre nichts gewesen. Finger gleiten über die Gitarrensaiten und ein Bogen streicht die über zweihundert-jährigen Violine. Ein leises Gefühl von Western-Bar-Music entsteht und als danach der „South Carolina Rag“ stampft und beide Instrumente ihre ersten Soli hören lassen, ist die kleine Welt wieder in Ordnung. Was die meisten hier nicht wissen, mit DAVE PEABODY trifft ein alter Haudegen des britischen Blues auf eine sensibel und einfühlsam sich einfügende klassisch studierte Violinistin. Aus diesem scheinbaren Gegensatz bezieht die Musik, die wir hören, ihre Spannung. Der Routinier des Fingerpicking lockt die Virtuosin auf lockere Abwege. Es darf improvisiert und leicht daneben gegriffen werden. Zwischendurch nimmt man/frau einen Schluck aus dem Humpen. Sie zelebrieren beide den Bessie Smith – Klassiker „Nobody Knows You When You’re Down And Out“ und den Takt dazu klopfen wir auf Tresen und Tisch mit.
Mit kurzen Randnotizen erfahren wir von DAVE PEABODY etwas zum Inhalt der Songs und manchmal bittet er REGINA MUDRICH, uns die Geschichte zu den eigenen Liedern zu erzählen. Dann landen wir gedanklich irgendwo im Amerika der 1930-iger Jahre („Going To Germany“) oder in der Küche von Regina, wo beide ihre erste Zusammenarbeit in einem Studio besiegelten („Right Now Blues“). Es sind diese kleinen Episoden, die Songs wie „Rhythm Dance“ für uns nachfühlbar machen, manchmal auch die Zweideutigkeit der Worte („Ducks Ya Ya’s“), die uns zum Schmunzeln verleiten. Nicht alle Details bekomme ich seiner schnellen Erzählweise mit, aber dass es oft um Sex, Alkohol und wieder Sex geht, dann schon. Ich kann im breiten Lächeln des Blues-Mannes sehen, wie sehr er sich darüber amüsiert und schon erklingt der nächste Song.
Relativ schnell fällt auf, dass DAVE PEABODY in keine der gängigen Schubladen passt. Seine Musik rekrutiert sich offensichtlich aus seinen Erfahrungen, aus Begegnungen und Partnerschaften mit vielen Musikern. Einem gefühlvollen Slow-Blues verwandelt er nach einem Break in quirligen Swing („Ain’t Misbehavin“), in den REGINA MUDRICH ein glänzendes Solo einbauen kann, und der „Walking Blues“ ist eigentlich keiner. Die Stimmungen entstehen durch perfekte Fingerpicking-Technick und kleine flink eingebaute Soli. Irgendwie erinnert mich alles an „swinging old London“, von dem er selbst ein kleiner Teil war (und ist). Das für Duke Ellington geschriebene „Delta Bound“ mag dafür ebenso als ein Beleg dienen, wie seine wunderschöne eigene Version von „Summertime“. In jedes passt die Stimmung der Violine an seiner Seite auf den Punkt genau dazu. Seine eigenen Songs („Dark Side Of Town“) fügen sich neben die Klassiker problemlos ein. Alles ist aus einem Guss und die kräftige Stimme des Mannes erzählt dazu kleine Geschichten. Fast schon möchte ich bezweifeln, ob diese Atmosphäre im Gewölbe des Bibliothekkellers auch so entstanden wäre. Wohl eher nicht.
Die Zeit verfliegt bei Boogie, Swing & Blues sowie bei Geschichten aus dem Musikantenleben. Als die beiden Musikanten sich plötzlich mit einem letzten Song verabschieden, sind tatsächlich reichlich zwei Stunden vergangen. Wir haben einen gestandenen Blues-Mann und eine exzellente Geigerin erleben dürfen, ein Duo, das man getrost als zumindest nicht alltäglich bezeichnen darf. Umso eindrucksvoller die Stimmung des Abends. DAVE PEABODY brachte uns eine Auswahl von Songs seines (immer noch) aktuellen Albums „Right Now Blues“ (2015) mit, das er, gemeinsam mit REGINA MUDRICH, uns allen in gemütlicher Umgebung des Papermoon vorstellte. Der allerletzte Song, „I’ll See You In My Dreams“, ist auch auf dem Album der Rausschmeißer und mit dem verabschieden sich beide Musiker auch von uns.
Zu später Stunde scheint vergessen, wie dieser Abend begann. Wir quasseln noch über alles Mögliche, nur nicht mehr darüber. Es geht um Musik, um die Anfänge, große Namen fallen und Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, die jeder aus einer anderen Perspektive erlebte, werden ausgekramt. Musik ist das Bindeglied und der Kitt, der uns alle, Musiker wie Liebhaber, verbindet und manchmal auch zu gemeinsamen Aktionen führt. So wie heute.
Nachtrag: Mag sein, dass uns vielleicht jemand erklären möchte, woran es lag und welche Rolle der Bedeutung dahinter steckt. Geschenkt! Der Musikliebhaber kauft ein Ticket und darf erwarten, dafür niveauvoll gut unterhalten zu werden. Alle anderen sollten sich einfach an ihre Abmachungen halten und in manchen Situationen auch mal menschlich reagieren und über ihren eigenen Schatten springen können. Leere Phrasen werden in diesem Land leider schon viel zu viele gedroschen und „Leute ohne Rückrat haben wir schon zu viel“ (Bettina Wegener, „Sind so kleine Hände“)!
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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