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Blackbird singen in der Kulturbastion Torgau

in Konzertberichte 2019 und älter 29.04.2013 19:11
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Blackbird – Abendlieder in der Kulturbastion Torgau ( 20.04.2013 )

Seit Tagen ist es nicht mehr zu übersehen, gleich gar nicht zu überhören. Der Frühling ist da und mit ihm haben die Vögel auch wieder eine Singstimme. Früh mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen beginnt das große Zwitschern und erst mit der untergehenden Sonne verstummt der Singsang wieder. Amsel, Drossel, Fink und Star (und die ganze Vogelschar) lassen ihre fröhlichen Lieder erklingen und nicht nur in Sträuchern und Bäumen steigen wieder die Säfte der Lebensfreude. Die Natur saugt sich langsam wieder mit Farben voll und wenn sich abends der Tag zu seinem Ende neigt, taucht ein roter Feuerball alles in warmes Licht.
An einem solchen Abend fährt mich mein silberner Blechfreund mal wieder Richtung Torgau. Hinter den Bäumen versinkt die Sonne glutrot und zaubert wunderschöne Silhouetten an den Horizont. Man möchte diesen Moment ausschneiden und, vermischt mit den Abendliedern der Vögel, irgendwie für später konservieren, einfach nur aufheben.

Schon in den frühen Februartagen hatte ich einem „großen lauten Vogel“, so die augenzwinkernde Beschreibung eines Freundes, in Pirna gelauscht und dieser Abend hatte mich mit Lust auf mehr nach Hause geschickt. Jetzt lockt mich diese warme „Abendstunde, stille Stunde“ nach Torgau, um das Duo BLACKBIRD ein zweites Mal live zu erleben. Wie sich zeigen sollte, eine gute Entscheidung, denn eine Amsel, so BLACKBIRD (schwarzer Vogel) in deutsch, kann man öfter singen hören und stets neue Nuancen entdecken.

Die ersten Töne des Abends erzeugt IVONNE FECHNER mit ihrer Violine – welch wunderbares Kleinod von Instrument – und eher zaghaft steigt BODO KOMMNICK mit der Gitarre in die Klänge ein, die sich Stück um Stück erweitern, bis der volle Klang von „Movement“ das Steingewölbe der Kulturbastion in Torgau ausfüllt. Das kurze Instrumentalstück wird von „Take Me Back“ abgelöst und jetzt ergänzen die Stimmen der beiden Musiker das Klangbild.

Die Songs von BLACKBIRD scheinen mir keine Lieder im eigentliche Sinne zu sein, sondern viele der Stücke entwickeln ihren besonderen Reiz erst dadurch, dass man mitunter den Eindruck gewinnt, hier würden die Stimmen eher Teil des Instrumentariums sein, das jedes Mal neu und anders zu klingen versucht. Als Beispiel möge man „Walk On The Ocean“ hören, dass scheinbar mit einem a capella – Gesang endet, sich aber erst danach zu einem wahren Crescendo zu steigern vermag, von dem man sich regelrecht davon tragen lassen kann. Am liebsten mag ich mich in jene Passagen fallen lassen, in denen es mystisch riecht und romantische Anleihen die Stimmungen tragen, die man zu hören meint. Dann gelingt es den beiden auf der kleinen Bühne, ganz unterschiedliche stilistische Anleihen und Spielarten überraschend miteinander zu verknüpfen. Eines dieser Kleinode wird regelrecht, mittels dezenten Einsatzes kleiner technischer Tricks, so miteinander verschachtelt und quasi übereinander geschichtet, das man meint, nicht nur die kleine Amsel singen zu hören, sondern die sprichwörtliche ganze (Vogel)Schar der Klänge, so bei „The Only Way“.

Das Duo IVONNE FECHNER und BODO KOMMNICK kennt man seit Jahren in Verbindung mit anderen großen Namen der Szene, jedoch meist dezent im Hintergrund als Teil eines Ganzen. So mancher mag sie gar „nur“ als Begleitmusiker für eigene Ambitionen nutzen. Mit BLACKBIRD haben sich beide eine völlig eigenständige Variante geschaffen, mit einer unglaublichen großen Auswahl an Instrumenten und Kleininstrumentarium kreativ zu sein. Plötzlich entdeckt man zwei Musiker, die scheinbar anders, weil nun sie selbst, sind. Darin besteht der eigentliche Reiz, wenn man beide mal allein erlebt und am musikalischen Mikrokosmos zweier Unikate Teilhabe nimmt. Dann hat Musik wieder Überraschungen parat und man kann spontanes Reagieren erleben, das fest eingefahrene Gleise nicht kennt. Auf die Bitte, doch mal etwas deutsches zu singen, kontert Bodo mit einer „ärztlichen Heino-Nummer“ und erschreckt uns mit dem Riff von „Ein Bett im Kornfeld“ – „Let Your Love Flow“ (1976) der Belamy Brothers wäre ja noch akzeptabel – da bleiben Schenkelklopfer und Lacher nicht aus.

Beide präsentieren viel eigenes Material, auch solche Stücke, die sie eigentlich für andere gedacht und geschrieben hatten. Darunter auch für den Zungenbrecher Inchtabokatables – no Guitars, aber Violine, Cello und Bass zum Streichen. In der Duo-Variante bekommen die Songs ein neues Flair und Spielzeug wie Glockenspiele und Glöckchen ihren Einsatz. Da lohnt sich Zuhören und Hinschauen wieder. Es gibt eine neue Nummer, die sie „Spanish Feeling (in Torgau)“ nennen. Nur mit Gitarre und Violine gelingt es den beiden uns mit spanischem Flair in eine Stierkampf-Arena zu versetzen und uns wenig später mit dem Gesang der „Birds Of Love“ (Liebesvögel) zu verzaubern. IVONNE vermag mit ihrer hellen Stimme tief im Innern zu berühren, während BODO schon auch noch den Heavy-Metal-Shouter aus früheren Zeiten gucken lassen kann. Beide gemeinsam vermögen sie mit dynamischen Gesangsparts unter die Haut zu gehen und sich selbst dabei, trotz der Vielfalt, sehr zurückhaltend und intensiv zu begleiten. In leisen Momenten ist es die pure Magie, die man erleben kann und die zu kleinen Reisen im Kopfkino verleitet. So jedenfalls war mir in der Zeit bis zur Mitternachtsstunde.

Ich habe diese zweite Begegnung still, manchmal in mich versunken, genießen können. Zwar hatte ich die Songs wenige Wochen zuvor schon einmal gehört, doch beim zweiten Mal erschließen sich völlig andere Momente und Facetten und ich entdecke Kleinigkeiten, die ich beim ersten Mal übersehen haben muss. Und ich kann mich am Ende des Abends fallen lassen und die Duo-Version von Leonard Cohen’s „Hallelujah“ noch einmal ganz für mich allein genießen: „… but you don’t really care for music, do you!“ Nur den „Blackbird“ der Beatles haben sie in Torgau nicht fliegen lassen und ich habe vergessen, nach dem Warum zu fragen.

Früh am Morgen bin ich wieder vom Singen der Vögel geweckt worden. Ein „schwarzer lauter Vogel“ war nicht zu überhören und die Klänge von BLACKBIRD summten noch im Kopf. Vor meinem Fenster balgen sich Eichelhäher und Amsel in der Morgensonne, während zwei Blackbirds wahrscheinlich noch in ihren Federn schlummern und ich schon die Tasten traktiere. Wenn es der Zufall will, werden wir wieder zueinander kommen. Es lohnt sich, denn außer BLACKBIRD und CRAZY BIRDS tummeln sich noch andere „verrückte Vögel“ und „bunte Hunde“ in der kleinen Szene, die Lust aufeinander haben und das Miteinander brauchen. Dort und dann sehen wir uns wieder und schreiben die Geschichten weiter.

Angefügte Bilder:
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