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HAASE & BAND live in der Feuerwache Magdeburg

in Konzertberichte 2019 und älter 18.04.2016 19:36
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Blumenträume live mit Christian Haase & Band (16.04.2016)

Das erste Mal bin ich dem HAASE richtig nah gekommen, da stand er singend hinter einem Bächlein, das sich durch eine alte Mühle drängt. Das Wasser fließt aus den Bergen durch diese Mühle und der Christian kam aus der Stadt, um hier für eine Handvoll Fans und einige Musiker zu singen. Ein Jahr zuvor, im Sommer 2009, hatte ich mein erstes Haase-Konzert erlebt, denn ich wollte wissen, wie die Lieder von seiner CD „Leben“ wohl live klingen würden. Aufgefallen war er mir allerdings schon, als er beim Gundermann-Tribute in Berlin einige Lieder zum Besten gab. Ich sah ihn im Club Passage und ich traf ihn bei „Danke Franz“. Er sang für mich in der Kulturbastion und am Lagerfeuer der Zschoner Mühle. Mit der Seilschaft sah ich ihn und bei Lakomy’s 70. Geburtstagsfeier auch. Komischerweise ist mir in all diesen Jahren nie bewusst gewesen, dass HAASE eine Generation repräsentiert, deren Songs mir emotional beinahe nichts geben. Der blonde Junge, der mein Sohn sein könnte, bewegt sich schon immer auf einem anderen Level. Er sagt und singt, was er denkt, er probiert sich aus und er eckt auch mal an. Er möchte gern erfolgreich sein, aber er will sich dafür nicht verbiegen lassen. Und HAASE hat lange Haare bis zur Schulter und besingt neuerdings seine Blumenträume. Wir passen gut zusammen, dachte ich mir, als ich seine „Blumenträume“-CD schon vorab hören und rezensieren durfte.

Wenn ich in der neuen Heimat auf „alte“ Bekannte treffe, bin ich besonders glücklich und lasse mir so eine Gelegenheit meist nicht entgehen. Heute ist so ein Tag und, als wolle jemand da oben das auch deutlich machen, werde ich bis Magdeburg von lauter dicken „weißen Wolken“ flankiert, die sich mit einem Dutzend wunderschöner Regenbogen schmücken. Mein Ziel ist, wieder einmal, die Feuerwache,
wo CHRISTIAN HAASE heute Station macht, um seine neue CD „Träum’ doch mal von Blumen“ einem breiten Publikum live vorzustellen. Ich bin neugierig, wie sich die neuen Lieder live anfühlen werden.

Zumindest fühlt es sich anders an, als im Gorbitzer Club Passage oder in der Torgauer Kulturbastion. An diesen Orten treffen sich die Haase-Fans schon zeitig, um die guten Plätze unter sich aufzuteilen. Bei den Frühaufstehern geht es beschaulicher zu, habe ich lernen müssen. In aller Ruhe kann ich mich einstimmen, den Tisch mit den Auslagen bewundern und es mir gemütlich machen, während sich der Saal langsam füllt.

Die Bühne ist in dunkles rotes Licht getaucht, als die Band sie betritt. Die ersten Töne werden gezupft, der Rhythmus sortiert die Instrumente und als CHRISTIAN HAASE aus dem Dunkel tritt, macht er mit wenigen Akkorden „Luxus“ daraus. Die Band swingt und groovt und HAASE macht nun auch textlich deutlich, wohin die Reise in den nächsten beiden Stunden gehen wird: Zu den Träumen von Blumen und zu anderen Entdeckungen des Lebens. Zu denen wird sich der Sänger plaudernd über die kleinen, scheinbar unwichtigen, Begebenheiten aus seinem eigenen (Er)Leben hangeln und dabei die oftmals verborgenen, weil einfachen, Sichtweisen hervorholen. Darin ist er ein Meister. Und weil wir mitunter schon verlernt haben, uns an den einfachen Dingen zu erfreuen, lässt er seine Oma beim Anblick der Ostsee begeistert ausrufen: „So viel Wasser!“, und plötzlich werden Luxusartikel völlig unwichtig, ja überflüssig.

Es sind zunächst die Lieder der aktuellen CD, die wir zu hören bekommen. „Der Sturm“ oder „Das schlechtere Nie“ klingen live saftiger, als aus der Konserve. Das wäre immer so, wird er mir später sagen, aber man kann deutlich spüren, dass die Lieder während der Tour an Ausstrahlung gewonnen haben. Das liegt nicht zuletzt an den beiden „alten Hasen“ RENÈ SCHOSTAK an den Gitarren und am Bass DANIELA SCHWABE, die zielsicher ihre Akzente setzen und dem HAASE genug Raum lassen, hier und da immer mal wieder neue Nuancen in die Strukturen einzufädeln. Auch RENÈ sorgt mit seinen Soli für Achtungszeichen. Im Hintergrund agieren als Neulinge ROBERT MEMMLER am Schlagzeug sowie an den Tasten und mit Hut DANIEL DEXTER. Letzterer singt uns mit „Träume, meine Träume“ einen Song aus eigener Feder und überrascht, zumindest mich, mit der einfühlsamen Ballade, die sich einfügt und dennoch erfrischend anders daher kommt. Respekt und ich hoffe, da wird noch mehr zu erwarten sein.

Es berührt mich sehr, wie HAASE zwischendurch von seinem Vater plaudert, wie er mit ihm Schottland bereiste und wie er uns von jenem Mann erzählt, mit dem er so gern spricht. Der ist intelligent, aber auch dem Alkohol zugewandt. Solche Typen, von der Gesellschaft an den Rand gedrängt, fast schon achtlos weggeworfen, finden nie Zugang in die schöne Pop-Welt der Charts. Doch wenn CHRISTIAN HAASE sein Lied „Armer Mann“ singt, dann entdeckt man quasi mit ihm diese unverwechselbaren Typen, die einem selbst regelmäßig, und sei es nur für Momente, das Leben bereichern können. Dies ist eines jener Lieder, die mir tief unter die Haut gehen und unwillkürlich drängen sich bei mir die Parallelen zu jenem alten Mann auf, der bei einem anderen „schlecht bezahlt für uns einen weißen Strich übers Land gemalt hat“. Zwei Welten, zwei Liederpoeten, aber die gleiche Idee und das gleiche Verständnis vom Menschlichsein. Was für ein großartiges Lied, dieser „Arme Mann“!

HAASE erinnert vor der Pause mit dem Song vom „Höflich sein“ und dem vom „Neurosenbeet“ an das Vorgängeralbum mit der Nummer 6 auf dem Cover. Nach der Pause zitiert er ein paar Zeilen von Volly Tanner, einer „der mich nicht leiden konnte“, doch für mich ganz persönlich stelle ich fest, dass sich dahinter eigentlich ein wenig Neid, nach dem Motto „hätte ich auch gern“, und also eine Lobeshymne verbirgt, die CHRISTIAN HAASE unkommentiert in „So schön“ aus der „Nimmersatt“-CD hinübergleiten lässt. Ganz ehrlich, das hatte was! Nicht zuletzt deshalb, weil DANIEL DEXTER an den Tasten gekonnt das Orgel-Riff von „Let It Be“ einfließen ließ. Ich kann mich nicht erinnern, das Lied jemals live gehört zu haben.

Was jetzt kommt, ist die Abteilung „Hits vom Haase“, also seiner Klassiker. Die Saiten entzünden sich am „Benzin im Kopf“, dass es nur so kracht und rockt. HAASE erzählt im Stil einer Novelle, wie sich die Düne in der Sahara und die kleine weiße Wolke am Himmel kennen- und lieben lernen - „Liebe stirbt nie, sie verändert sich nur“ – und singt uns dann von den „Weißen Wolken“ und den „Verbrauchten Träumen“, bei denen RENÈ ein weiteres Mal seine virtuosen Fingerfertigkeiten zeigen kann. Die Songs der beiden letzten Alben verschmelzen quasi klanglich, aber auch inhaltlich, miteinander. Lieder aus dem prallen Leben gegriffen, wie „Jacke am Kap Horn“ oder das zeitlose „Irgendwo in Deutschland“, wobei HAASE süffisant auf’s Anhaltinische verweist, was ich wiederum gut nachvollziehen kann. Ich mag diese Lieder ihrer lyrischen Vielfalt wegen und, was live besonders deutlich wird, weil sie durch ihre Melodien erst richtig lebendig werden. Fast scheint es, als spiele sich der bunte Musikantenhaufen in einen Rausch und die im Saal haben schon längst vergessen, dass sie vor Minuten noch auf ihren Stühlen saßen. Als es dann noch rhythmisch „Alle oder keiner“ in den Saal donnert, ist Partystimmung angesagt. Genau so sollte ein Konzert von und mit Haase sein – stimmungsvoll, mal nachdenklich und dann aber wieder brachial und lebensfroh in die Vollen. Dramaturgisch geschickt hat der Meister exakt diesen Moment an das Ende des Konzertes gesetzt.

Natürlich weiß CHRISTIAN HAASE, dass Zugaben bei Konzerten so wichtig sind, wie ein frisches Bier nach einer schönen Wanderung, also unumgänglich. Und dann kommt er wieder mit so einem ganz typisches Haase-Bild, das sich einprägt, weil man es schon kennt, nur der Zusammenhang ist plötzlich völlig neu: „Nur die Fledermäuse lassen sich hängen“. Ich liebe dieses freche Lied, das einige meiner Freunde auch gern als T-Shirt mit sich herumtragen. Als Aufmunterung quasi und als Motivation auch und weil wir gerade schön in Stimmung sind, teilt der Blonde auf der Bühne die lichten Stuhlreihen in zwei Teile, um mit uns einen Kanon zu singen: „Nichts wird dich retten, außer Lieber vielei-ei-eicht“, dabei gehen sie, einer nach dem anderen, von der Bühne … um ein letztes Mal für „Ich mache meinen Frieden“ wieder auf die Bühne zurück zu kommen.

Dann ist endgültig Schluss und noch ein wenig Zeit für die kleinen Gespräche danach. Dies ist bei mir stets der Moment, um das gerade Erlebte erst noch ein wenig nachklingen zu lassen, die Gedanken zu sortieren. Erst dann gehe auch ich hinaus und beim Verabschieden denke ich mir, so einen Abend mit CHRISTIAN HAASE sollten sich eigentlich viel mehr junge Leute, nämlich die seiner Generation, antun, um Gedankenanstöße mit nach Hause zu nehmen und zu erleben, dass Musik lebendig und lebensnah sein kann. Nach einem Haase-Konzert kann man sogar atemlos plus bereichert nach Hause gehen.

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 18.04.2016 19:37 | nach oben springen


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