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Electra Brauhausfest Freiberg
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 09.08.2015 07:44von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Bin nach dem gestrigen Abend in Freiberg immer noch innerlich sehr aufgekratzt und aufgewühlt. DANKE ELECTRA! Ob ich das formuliert bekomme, weiß ich jetzt noch nicht, aber wahrscheinlich brauche ich Nachschlag. Schön Euch mal wieder auf einen Haufen gehabt zu haben. Auch das hat mich sehr bewegt. DANKE!
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 09.08.2015 19:37von HH aus EE • | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte
Electra – mein (voraussichtlich) letztes Konzert
(08.08.2015)
Leben ist Kommen und Gehen, im Kleinen, wie im Großen. Abschied gehört dazu und meist ist es so, dass ein Abschied schmerzlich, weil ungewünscht ist. Eine Rockband bildet keine Ausnahme. Da viele Musikanten aus Zeiten stammen, mit denen auch ich meine frühesten Erfahrungen verbinde, fühle ich mich diesen Herren natürlich besonders verbunden. Ich habe deren erste Lieder, meist vor dem Radio sitzend, gehört und sah sie beim Jugendtanz zum ersten Mal live spielen. Zu ihrer Musik drehten wir uns auf dem Parkett oder allein auf der Stelle zu Klängen, die noch nicht aus eigener Feder stammten. Eigene Schallplatten – Fehlanzeige! Es gab Autogrammkarten und manchmal Poster. Einige der frühen Autogrammkarten der Electra-Combo befinden sich in meiner Sammlung. Ich habe sie als begeisterter Beat- und Rockmusik-Liebhaber gesammelt. Später fuhr ich zu deren Konzerten und 1977 war es mir gar vergönnt, selbst ein Konzert mit ELECTRA zu organisieren. Dafür bin ich heute noch dankbar und deshalb tut es weh, nach all den vielen Jahren und erlebten Konzerten, von so einer Musikantentruppe Abschied nehmen zu müssen.
„Ich war noch niemals in“ Freiberg und das Bier, das man dort braut, ist nicht wirklich die Art Gebräu, die mich zum Schwärmen verleiten könnte. Aber deshalb habe ich meine „Schüttel“ auch nicht auf der Wiese, genannt Parkplatz, abgestellt und setze mein lichtes Haupthaar den gleißenden Sonnestrahlen auf der Freiberger Höhe aus. Es ist irgendwie auch das Gefühl, ich könnte selbst nicht mehr so lange dem Lockruf des Bühnenrandes folgen. Zumindest nicht auf so weite Distanzen. Ich solle noch nicht aufhören, aber kürzer treten, hatte mich ein kluger Weggefährte kürzlich wissen lassen. Die Band da oben und einer der Fans vor der Rampe verbindet dieses Wissen. Auch deshalb stehe ich heute hier.
Die Musiker von ELECTRA bekommen das grelle Licht der Abendsonne direkt in die Gesichter, wie von einem gigantischen Spot, geworfen. „Ich kann euch nicht sehen, aber hören“, sagt BERND AUST, und dann nimmt er seine Querflöte und das Goodbye beginnt. Klassische Atmosphäre zunächst, beinahe meint man ein Spinett spielen zu hören, doch dann entreißt WOLFGANG „Kuddel“ RIEDEL seinem Bass trockene Tieftöne und FALK MÖCKEL lässt es krachen. So klang ELECTRA schon damals und so ist der Sound der Band geblieben. Bis heute. Ich nehme die Musik in mich auf, lasse meinen Körper den Rhythmus nachempfinden und genieße es, einfach nur zu hören und zu sehen.
Natürlich kenne ich jeden der Songs, den ELECTRA spielt, kenne die Nuancen und weiß, welcher der vielen Momente in meinem Gedächtnis eingraviert werden soll. Jeder der Musiker ist ein exzellenter Solist, hat sein musikalisches Handwerk von der Pike auf gelernt, steckt aber live mit seiner ganzen Persönlichkeit im Gesamtkunstwerk eines jeden Konzertes. Das ist es, was ich bei den „Vier Milliarden in einem Boot“ auch spüren kann und meine Seele schwingen lässt, weil mich die Botschaft emotional trifft. Es sind aber auch jene Szenen, wo der Schalk den Musikanten im Nacken sitzt, die ich grinsend genieße. Während GISBERT „Gisi“ KORENG die Zeilen „Einmal ich, einmal du, einmal er“ singt, muss ich jedes Mal in mich hineinlächeln, wie KUDDEL dazu mit seinen Armen die Worte gestikulierend für die Meute kommentiert. Auch da ist er ganz und gar Musikus und Spaßikus zugleich. Ich liebe es! Ein weiterer Grund, hier zu sein.
Irgendwie fühle ich mich dazu gehörend, wenn STEPHAN TREPTE von dem „alten Laub“ in der ersten Reihe spricht und sich dann beinahe liebevoll seinen Kollegen zuwendet. Gedanklich entstehen bei mir im Kopfkino zu „Wenn die Blätter fallen“ farbenfrohe Herbstbilder. Ich könnte glattweg neben Kuddel (Jahrgang 1949 wie ich), STEPHAN TREPTE (1950) und dem Bandleader (1945) stehen. Denen geht es wahrscheinlich wie mir, wenn sie mit ihren gelebten Jahren und dem goldenen Herbst kokettieren. Da steht dieser charismatische Sänger, graues Haar und dunkel gerahmter Sonnenbrille, und grinst sich einen. Ich grinse mit ihm und wahrscheinlich einige andere hinter mir auch. Der Herbst wird bunt und warm und lebensfroh, habe ich mir sagen lassen, denn „wenn die Blätter fallen, werd’ ich hundert Jahre alt“. Auch auf diese Weise bin ich mit den Musikern vereint.
Der Mann, der diesen, sicher manchmal wilden, Musikantenhaufen aus dem Hintergrund gefühlvoll dirigiert, bläst noch immer eine geile Kanne und zeigt uns, wie das Tenorsaxophon singen kann. Mit seinem unverwechselbaren Spiel auf der Querflöte entzückt er seine Fans und ließ sogar Altmeister Ian Anderson einst erschaudern. Den Beleg dafür aus dem Jahre 1993 kann man in dem, liebevoll für die Fans gestalteten, Booklet zur Abschiedstour „The Last Waltz“ nachlesen. Aber auch andere Details aus der Geschichte der Band kann man finden. Ein wirklich würdiges Abschiedsgeschenk, mit einem doppelseitigen Poster in der Mitte, das man sich zudem auch noch signieren lassen kann. Wie eine BRAVO für Senioren. Noch so ein Grund, dabei zu sein.
Seit 1990 bestimmt der typische Sound seines Gitarrenspiels das Klangbild der Dresdner Kapelle. Er könnte auch Flinkefinger statt „Ecki“ als Beinamen haben. Seine Parallelläufe auf den Bünden, wenn er sich mit Tenorsaxophon oder Keyboards scheinbar ein Wettrennen liefert oder STEPHAN TREPTE zu seinen Stimmakrobatiken treibt, sind einzigartig und faszinieren mich jedes Mal neu. ECKI LIPSKE ist Gitarrist aus Leidenschaft. In seinen Händen kann das Instrument wild ausbrechen, fast explodieren, und dann wiederum leidenschaftliche zärtlich sein. Man kann es hören und genießen, man kann aber auch in seinem Gesicht lesen und staunen, wenn er sich, tief in der Hocken weilend, förmlich über den schnurrenden Klang seiner Gitarre zu beugen scheint. Das wiederum kann KUDDEL wieder mit Gesten und der Mimik eines Gauklers bestens kommentieren. Das sind Momente, die mir fehlen werden. Sie teilen die Leidenschaft der Musiker mit den Begeisterungsrufen und Pfiffen ihrer Fans. Genau deshalb bin ich ja auch hier.
Der Mann hinter dem Schlagzeug ist der Jüngste im Bunde. FALK MÖCKEL ist ein Tausendsassa, einer, der mit der Präzision eines Uhrwerkes agieren kann, der die Becken klassisch federleicht klingen lässt, um einen Moment später den Blues aus den Fellen zu locken. In seinem Spiel kann man die Nuancen entdecken, die sich elegant in den Sound von ELECTRA einfügen. Vielleicht wird er, der ohnehin nicht nur bei den Art-Rockern trommelt, einmal das Erbe der Band in die Zukunft tragen wollen, eine neue Kapelle gründen und die Musik von ELECTRA späteren Generationen schmackhaft machen. Vielleicht nennt er sie die „DOMinanten“ oder schlicht „DOMectra“. So ein Gedanke könnte mir gefallen und den Enkelkindern könnte man einen Hinweis geben, wo und bei wem es gute Musik zu hören gäbe.
Der Stille im Hintergrund steht, meist kaum zu sehen, hinter seinen Tasten. Dort gleiten seine Finger über die Manuale, lassen Stimmungen entstehen und sie können es sowohl ganz klassisch, als auch rockend wuchtig. So wie beim „Dom“, bei dem der langhaarige ANDREAS LEUSCHNER sakralen Klang einer Kirchenorgel entstehen lässt. Aber auch als sicherer Sänger, der mit seiner hohen Kopfstimme dem a capella gesungenen Madrigal „Lo ti voria contar la pena mia“ (etwa: ich möchte dir von meinen Sorgen erzählen) von Orlando di Lasso erst den letzten Schliff verleiht, ist er nicht zu überhören. Ganz besonders deutlich aber werden sein überaus exzellentes Spiel und sein klarer Gesang im Duett mit STEPHAN TREPTE, wenn beide das wunderschöne „Seh’ in die Kerzen“ zelebrieren. Dann friert mir die Haut und mein Herz weint Tränen.
Wer ELECTRA sagt, meint auch „Dom“ und folgerichtig STEPHAN TREPTE. Mit seiner charismatischen Charakterstimme, deren es so viele nicht mehr gibt, prägte er den größten Hit „Tritt ein in den Dom“. Das Teil ist in seiner Bedeutung wie „Yesterday“ für die Beatles, „Satisfaction“ für die Stones oder „My Generation“ für The Who. Man hört den ersten Akkord und kennt sofort den ganzen wunderschönen Rest, der gleich erklingen wird. Für mich gibt es keinen anderen Sänger, der den „Dom“ so singen könnte, dass ich Gänsehaut bekommen würde. So geht es mir eben auch beim „Alten Laub“ und noch schlimmer, wenn er, im Duett mit ANDREAS „Bruno“ LEUSCHNER an den Tasten „Seh’ in die Kerzen“ singt. Dieser Moment ist einfach nur zum Heulen schön. Seine unheimliche Tiefe gewinnt das einfache Liedchen mit sehr schwieriger Melodieführung wirklich erst durch die Interpretation von TREPTE. Einen anderen will und kann ich mir nicht vorstellen. Punkt!
Es sind Momente, in denen ich auch an einen denke, dem die Gesundheit einen Stolperstein auf den weiteren Weg hin zur Bühne legte. Ich denke an PETER „Mampe“ LUDEWIG, der für mich zu ELECTRA gehört, wie das Sauerkraut zum Eisbein. Deine Fans denken an dich, sie vermissen dich auf der Bühne und sie wünschen dir, alles Gute. Wir haben eine leise Ahnung, wie es dir geht und wie du dich fühlen könntest. Auch deshalb sind solche Typen wie ich heute hier und in den Gedanken bei Dir. Du gehörst dazu, ob nun gerade hier anwesend oder nicht. Ich vermisse den „Grünen Esel“ und würde gern noch einmal Deine Stimme hören, wenn sie „Das kommt, weil Deine Seele brennt“ wie Sternenstaub in den Wolkenhimmel entlässt.
Schlappe 90 Minuten lang genieße ich eines der letzten Konzerte von ELECTRA vor mir auf der Bühne, indes mir von hinten der Sonnenball erbarmungslos in den Nacken und die Kopfhaut brennt. Denen da vor mir, knallt der Glutofen direkt in ihre Gesichter und es ist ihnen anzusehen. Mir rinnt der Schweiß vom Kopf über den Rücken, die Knie werden weich und die Füße brennen. Ich weiß wieder einmal, wie empfindlich mein Körper geworden ist und wo mein Ischiasnerv liegt und trotzdem, hier bekommt mich heute niemand weg.
In meinen Gedanken schlage ich den Bogen über die 46 Jahre und durchlebe so manchen Augenblick ein zweites Mal. Ich hätte mir als Teenager und jugendlicher Heißsporn nie vorstellen können, noch als Rentner vor einer Bühne mit ebenso betagten Musikern zu stehen. Die beiden Urmitglieder BERND AUST und WOLFGANG RIEDEL sind, wie ich auch, in jenem weisen Alter angekommen, das man den Herbst des Lebens nennt. Mit 70 Lenzen muss man zwar nicht zwangsläufig von der Bühne absteigen, aber man muss auch nicht sein eigenes wertvolles Image, so wie manch anderer, bis zum Zerreißen ausloten wollen. Dafür haben sie meinen ehrlich empfundenen Respekt und deshalb wollte ich auch ein persönliches Goodbye sagen. Das Ende einer Band wie ELECTRA reißt ein Loch, in dem auch ein Teil von mir verschwinden wird. Etwas, das zwar einen Namen hat, das aber zu beschreiben, es mir an den treffenden Worten fehlt. ELECTRA sollte man hören können!
Auf dem Weg zurück in die neue Heimat fahre ich zunächst einem glutrot sinkenden Sonneball am Horizont entgegen. Später ist der ganze Himmel im Westen für eine weitere Stunde ganz und gar in Rot und Purpur getaucht. Was für ein stimmungsvoller Ausklang eines Konzertabends, der gar mein letzter mit ELECTRA sein soll. Ein wenig Traurigkeit mischt sich deshalb in das Farbenspiel vor mir und ich höre, wie eine kleine Melodie in das Singen der Reifen auf der Piste einstimmt:
„Seh’ in die Kerzen,
kein Tag kommt wieder.
Geh immer weiter
und such neue Lieder.
Weit ziehen Gesichter vorbei,
vergaß ihre Namen.
Ihr Lachen blieb und ihr Wort.
Und es war gut, gut, gut, gut
dass sie kamen.“
www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 09.08.2015 20:42von Tina mit Hut • | 329 Beiträge | 742 Punkte
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 09.08.2015 20:48von Tina mit Hut • | 329 Beiträge | 742 Punkte
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 10.08.2015 06:56von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Danke Hartmut und Tina, hier habt schön erzählt, wie es in Freiberg war.
Total verblüfft haben mich die Mädels aus Schwerin, die sich hier bei uns angemeldet haben und insgesamt 700 km gefahren sind, um an dem Tag noch mal Electra zu sehen. Ihr seid verrückt und passt hier her. Schön euch getroffen zu haben.
Was noch zu erzählen ist, die Mannen von Electra kommen erst seit kurzem zum Schluss noch mal raus zum Publikum. Die "Autogrammstunde" fand auf einem rechteckigen Teil statt , es stand "Restmüll" drauf.
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 10.08.2015 21:04von toms-daddy • | 99 Beiträge | 223 Punkte
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 11.08.2015 20:31von Lissi • | 61 Beiträge | 141 Punkte
Nun ja,es ist schon lange her, das ich mal wieder mit Kundi unterwegs war.
Aber Electra wollte und mußte ich mir noch ein (wahrscheinlich) letztes mal " an tun"
Es war für mich noch einmal schön, die Band zu sehen und einige ihrer Songs mitzusingen. Oder aber in Gedanken zu versinken beim " Eintritt in den Dom".
Ganz klar, ich war auch richtig froh mal wieder ein paar liebe Freunde getroffen zu haben, nach langer Zeit
Ein paar Bildchen auch von mir
LG Lissi
RE: Electra Brauhausfest Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 20.08.2015 15:24von Sternenseele • | 4 Beiträge | 9 Punkte
Nun endlich auch noch von mir eine Reaktion ... entschuldigt, nach der Heimreise war ich ziemlich down und nur noch in der Lage, Eure Beiträge zu lesen anstatt was Eigenes beizutragen... vielen Dank Euch allen für Eure Berichte und Fotos, besonders an Hartmut- seine Worte gingen mir fast mehr unter die Haut als das Konzert selbst, auf jeden Fall werd ich noch mal Electra am 19. September in Magdeburg in Angriff nehmen Nach Freiberg hab ich dann eine offline-Urlaubswoche auf dem Darß verbracht. Grund, dieses Ziel zu wählen, war ein Transit-Konzert am vergangenen Sonnabend. Obwohl ich tatsächlich mit einem kleinen Sonnenstich zu kämpfen hatte, war das Konzert in der Dändorfer Kulturscheune ein echtes Erlebnis, und das, wo ich doch erst durch Euch in Grimma davon erfahren hatte , dass die Jungs überhaupt noch oder wieder spielen. Zwei CDs mit Autogrammen sind meine Beute von der Küste Morgen geht's dann zum Schwedenfest nach Wismar, wo Lift auftreten wird und nächste Woche zu Stern Meißen in die Schweriner Schelfkirche.
Liebe Urlaubsgrüße an Euch aus Schwerin
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