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Blues & deutsche Texte: AKKITATION - "Schön langsam (Hey, Hey)"

in CD-, DVD- und Buchveröffentlichungen 26.06.2015 18:45
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Akkitation „Schön langsam (Hey Hey)“ (2015)
(26.06.2015)

1. Schön langsam (Hey, Hey!) – Roy Head
2. Man im Ohr – Akki Schulz
3. Check die Mama – Fred James
4. Zuckersüß – Marty Robbins
5. Schüttel meine Äste – Johnny Winter
6. Es ist hart – Fed James
7. Man & Frau (sind so verschieden) – Akki Schulz
8. O Baby – Akki Schulz
9. Schwarze Wasser – Paul Simon


Wenn ich an das Mansfelder Land, südlich vom Harz gelegen, denke, dann fallen mir sofort die großen dreckigen Hinterlassenschaften der Industriegeschichte ein. Die dunklen Hügel, die einfach so aus dem flachen Land herausragen und Häuser, aus denen heraus Menschen die Bergbauhügel wachsen sahen. Dass man dort auch dem Blues verfallen kann, war mir neu, erscheint aber geradezu logisch. Der studierte Kontrabassist JOACHIM „Akki“ SCHULZ ist einer, der sich dort inzwischen zu Hause fühlt und sein Leben gestaltet. Mit seinen beiden Freunden THOMAS „Fisch“ FISCHER, an der Gitarre, und GERD HOPPE, dem Schlagzeug, hat er nun „eine Dokumentation liegengebliebener Lieder“ eingespielt, die ihm schon lange im Kopf herum geschwirrt sind. Auf der CD „Schön langsam – Hey, Hey!“ seines Trios AKKITATION kann man sich die Blues-Geschichten, gewidmet dem im Jahre 2014 verstorbenen großartigen Johnny Winter, nun anhören und auf sich wirken lassen. Ich hab’s getan:

Schon bei den ersten Gitarrenakkorden fühle ich mich mitgenommen. Sie erinnern mich an eine Zeit, als es noch keine digitalen Zusatzgeräte für die Instrumente gab und der Halleffekt bestenfalls mittels Tonbandschleife erzeugt wurde. Dieser edel echte Sound begeistert mich sofort und der Gesang löst ähnliche Empfindungen in mir aus. Das lockere „Hey, Hey, Hey“ reißt mich einfach nur mit. Schon der Opener „Schön langsam (Hey, Hey)“ ist alles Mögliche, nur eben nicht schön langsam. Außerdem hat er, endlich mal wieder, ein fettes Saxophon zu bieten. Dass dies die frühe Nummer „Tread Her Right“ von Roy Head aus dem Jahre 1965 ist, fällt im Grunde nur den Leuten auf, die diese Zeit aus eigenem Erleben noch kennen und daher wissen, was Schwof („Shindig“) ist und was man da anstellen kann. Der deutsche Text lässt die alte Nummer zudem völlig im Heute leben. Was für ein Einstieg!

Dieses lockere Gefühl setzt sich mit der swingenden Eigenkomposition „Mann im Ohr“ fort. Vibraphon und Bass umspielen den Ohrwurm-Gesang, auch diesmal nimmt mich der Chorus eines Saxophons mit auf ein lockeres Zwischenspiel und man spürt irgendwie, dass ein Bassist diese Songidee kreiert haben muss. Wenn beim Hören zu Hause der Körper im Rhythmus schwingt, haben die Musiker alles richtig gemacht. Meine Begeisterung setzt sich mit dem frechen „Check erst die Mama“ fort, ein toller Boogie, einstmals als „Check Out The Mama“ von Johnny Winter eingespielt, über dem eine rotzige & trockene Gitarre ihren Blues austobt. Und auch diesmal muss man nicht zwangsläufig auf die Idee kommen, dass AKKI SCHULZ sich diesen Klassiker ausgewählt hat, um ihn zu seinem eigenen Baby, mit einem leicht ironischen Unterton, zu machen. Dann kommt es „Zuckersüß“ und der Bär beginnt zu steppen. Diese alte Nummer klingt taufrisch und hat all das Zeugs, aus dem Ohrwürmer entstehen. Boogie und Blues tanzen zum wilden Spiel von Bluesharp und Gitarre. So locker und fröhlich kann der Blues einem um die Ecke kommen und für einen kleinen Moment lang meine ich sogar einen Gruß an Duane Eddie durch die dicken Saiten heraushören zu können.

Eine Hommage an Johnny Winter heißt im Original „Life Is Hard (And Then You Die)“, doch Akki hat „Schüttel meine Äste“ daraus gemacht. Akki & Band entbieten swingend einem der ganz Großen ihre Referenz. Bemerkenswert das flockige rhythmische Zusammenspiel, so dass tatsächlich ein Bild wie Ästeschütteln durch das Zusammenspiel entsteht. Dem langsamen Blues „Es ist hart“ liegt eine wahre Geschichte zugrunde, der Akki hier lyrisch einen sehr emotionalen Ausdruck verleiht. Einfach auf sich wirken lassen, den slow singenden Bass genießen und die knapp fünf Minuten Blues wie einen guten Freund in den Arm nehmen.
„Mann und Frau (sind so verschieden)“ kommt ironisch augenzwinkernd sowie mit Hawaiifeeling daher und kriecht ins Ohr. Hier ist den Musikern ein zweiter „zuckersüßer“ swingender Leckerbissen geglückt und noch einen Zacken schärfer, gelingt der Band mit „Oh Baby“ ein weiterer Ohrwurm, frei von allem unnötigen Schnickschnack, im Rockabilly Gewand. Neben „Zuckersüß“ ist dieses „Oh Baby“, letzteres aus eigener Feder, mein Geheimfavorit. Der ist radiotauglich und wäre hitverdächtig, wenn er denn in dieses Medium geraten würde.
Ohne auf die Zeit zu achten, ist mit einem ganz großen Klassiker schon das Ende der Scheibe erreicht, leider. Die Vorlage von Paul Simon füllt das Trio auch diesmal mit Leichtigkeit und einem unglaublich sicherem Gefühl für den Song aus. So hätte ich mir die „Bridge Over Troubled Water“ nie und nimmer vorstellen können. Eine ewige Pop-Hymne in eine, vom Blues inspirierte, scharf beobachtete Ballade zu verwandeln und mit dermaßen viel Soul, sprich Seele, ausgestaltet – einfach ganz großes Kino.

Ich hab’ diese Scheibe beim ersten Mal nur mal kurz anspielen wollen und habe sie – unbewusst – in einem Rutsch durchlaufen lassen. Mich hat die Leichtigkeit der Songs gefesselt und die teils ironisch erzählten Geschichten angesprochen. So etwas findet man heutzutage nur noch sehr selten und wenn schon einmal jemand Lust hat, einen Klassiker zu bearbeiten, wird dem dabei oft die Seele gestutzt. Das empfinde ich bei diesem Silberling vom Trio AKKITATION eben nicht so. Der lockere Umgang mit dem Original und der Mut, den Ursprung nicht zu verändern sowie dazu eine eigene Geschichte in deutscher Sprache zu erzählen, begeistern mich. Neben den bearbeiteten Klassikern ergänzen drei eigene Nummern die Palette, denen man die Nachbarschaft zu Klassikern des Genres deshalb nicht anmerkt, weil sie denen in nichts nachstehen. Zudem sind sie alle durchgängig mit fast heiteren und leicht ironischen deutschen Worten verbunden. Die Scheibe besticht durch eine stilistische Vielfalt vom Blues über Rockabilly, vom Country bis zum Swing, so dass Langeweile nicht mal ansatzweise eine Chance hätte. Da macht das Hören Freude und wenn dann auch noch instrumentale Tupfer von einem Vibraphon, Trompete oder Saxophon hinzu kommen, bleibt es spannend bis zum letzten Ton. Genau das ist dem textenden und singenden Bassisten AKKI SCHULZ und seinen beiden Freunden als Trio AKKITATION auf faszinierende Weise gelungen und nebenbei noch der Nachweis, dass Blues, oder was immer man darunter verstehen möchte, mit durchweg deutscher Rock-Poesie einhergehen und Genuss pur sein kann. Eine ganze Scheibe kurzer knackige Rock-Nummern, spielerisch und leichtfüßig, ohne an einem Schema kleben zu bleiben, das ist selten! Eine reife Leistung und nicht nur für Puristen zum Hören und Entdecken geeignet.

Angefügte Bilder:
AKKITation-01.jpg
Akkitation Foto.jpg

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