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Die Roten Gitarren und die Ossis in Freiberg
Die Roten Gitarren und die Ossis in Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 28.06.2014 17:50von PMausM • | 1.820 Beiträge | 3861 Punkte
Bergstadtfest in Freiberg, einen besseren Garant für tolle Live Musik gibt es überhaupt nicht. In Freiberg sind Leute in den richtigen Positionen, die über einen guten Musikgeschmack verfügen. Das ist inzwischen leider eine Seltenheit zu Stadtfesten.
Der Sender R.SA ist jedes Jahr mit einem Ostrock Programm dabei. Diesmal haben sie sich was getraut. Sie sind die Ersten, die ein vollständiges Konzert der Roten Gitarren nach der Wende auf die Bühne gebracht haben. Konzertteile haben die Roten Gitarren in Deutschland schon 2009 bestritten, aber wirklich zeigen, was sie so drauf haben, damit mussten sie bis gestern warten.
Das Programm startete mit den Ossis. Ab 19.00 Uhr unterhielten sie in gewohnt hochwertiger Art und Weise mit den schönsten Ostsongs. Mit dabei Michael Barakowski sowie Carie van Heden, die Haus und Hof Sängerin der Ossis. Sie beeindruckt mich immer wieder mit ihrer tollen Stimme und der freundlichen Ausstrahlung.
Die Lokalmatadoren sind bei Radio R.SA natürlich Böttcher und Fischer. Diese zwei Kultmoderatoren zogen ihre Fangemeinde zahlreich nach Freiberg. Sie bieten Spaß und Unterhaltung und lassen den Alltag vergessen. Probleme werden einfach weggelacht. Ich hab sie in zwei Jahren drei Mal gesehen, jeweils mit neuen Gags. Das zeugt von Kreativität. Ganz genial, wie Herr Böttcher Fischer coverte. Nein, nicht den R.SA Fischer, sondern Helene Fischer. Was raus kam, war einfach atemlos.
Mit Spannung warteten wir auf den Auftritt der Roten Gitarren, hatte sie 5 Jahre nicht gesehen.
Wer hat sie nur von der Kette gelassen? In Mittweida 2009 erschienen sie als seriöse, ältere Herren in weißen Anzügen nebst roten Gitarren, die ihre alten Lieder zum Besten gaben. Wo sie standen, standen sie. Wenn man mit dieser Musik aufgewachsen ist, dann haben sie damit trotzdem die Tiefen der Ossiseele erreicht. Nun, im 49. Bühnenjahr, eine Überraschung. Vier Gitarren (!) ein Bass und ein Schlagzeug und viele Titel, die sie rockten, bis die sprichwörtlichen Fetzen fliegen. Die weißen Anzüge haben sie scheinbar einem Museum übereignet. Nun wirken sie nicht mehr wie eine Coverband von sich selbst. In Polen spielen sie schon lange so, nur bei uns wurden sie eben immer auf das Weiße Boot und die brennenden Wälder reduziert.
Auf der Bühne stehen fünf Sänger und ihr Markenzeichen ist der Satzgesang. So was hört man nur noch sehr selten in der Perfektion. Die zwei ältere Herren sind der Stamm der Band, haben schon in den Anfangsjahren dort gespielt. Der Motor ist Jerzy Skrzypczeyk, der schon 1965 dabei war. Vom Schlagzeug aus dirigiert der die Band, singt und moderiert in Deutsch.
Jurek Kossela an der Gitarre stammt noch von der Vorgängerband der Roten Gitarren – sie starteten im Jahre 1962 (!). Hut ab. Keine Ahnung, wie alt dieser Grande Signore der Polnischen Rockmusik ist, man kann es sich zusammen reimen. Er war auch nicht mehr bei allen Titeln auf der Bühne.
Mieczyslaw Wadolowski ist Sänger und Gitarrist. Er hatte in Wendezeiten den Roten Gitarren aus der Klemme geholfen, als sie ihr Frontmann verlassen hatte, der meinte, Solopfade beschreiten zu müssen. Mieczyslaw ist seit 1992 dabei.
Seit 1998 spielt der Bassist Arkadiusz Wisniewsiki bei der Band. Er singt den schönen Titel „Sie heißt Anna“. Überhaupt hat fast jeder seinen Solopart.
Aber den besten Neuzugang, den sie gewinnen konnten, ist Dariusz Olszewski. Jetzt haben die Beatles Polens endlich ihren John Lennon.
Seit 2010 verstärkt er die Front der Roten Gitarren – er singt sehr gut die alten deutschen Texte und durch seine jugendliche Ausstrahlung schafft es die Band, in ihrem 49. Jahr noch mal richtig Gas zu geben. Wie er über die Bühne hüpft, ist sehenswert. Wenigstens zwei Damen am Bühnenrand hat er ein Dauergrinsen aufs Gesicht gezaubert.
Auch der neu dazu gekommene Artur Chyb als Gitarrist gefällt mir, passt gut, wie sie ihre alten Songs mit jungen Mitstreitern spielen.
Im Jahre 2009 versuchten die Roten Gitarren schon mal, wieder in Deutschland Fuß zu fassen. Leider wurden sie im Volksmusik Format „Musik für Sie“ verramscht. Diese „Best Of“ Auftritte erreichten nur das Schlager Publikum. Die Roten Gitarren werden aber in ihrer Heimat keineswegs in der Schlagerschublade abgelegt. Für mich war ihr Auftritt in Freiberg ein absolutes Aha – Erlebnis, da ich den Vergleich zu Mittweida 2009 habe.
In Polen sind sie immer noch Superstars, vielleicht zu vergleichen mit City bei uns. Ihr Terminkalender ist voll und sie spielen auch jedes Jahr in Amerika.
Von der deutschen Schlager CD, die 2009 bei uns erschienen ist, spielten sie keinen einzigen der neuen Titel und das ist gut so. Herz wurde also nicht verschenkt, aber dafür viel Herzlichkeit ausgestrahlt.
In Freiberg starteten sie mit einem hierzulande unbekannten polnischen Titel. Erst mal betretene Gesichter in den ersten Reihen und Zweifel. Aber schon bald hatten sie die Zuschauer in ihren Bann gezogen.
Spätestens beim Mix der alten Titel tauten die Fans auf und feierten die Stars aus Polen gebührend. Sie haben hier was gemacht, was total gut zu ihnen passt. Sie sangen einige alte Titel mit deutschem Refrain und polnischen Strophen. So erreichten sie einen hohen Wiederkennungswert und die traumhafte Poesie dieser Texte konnte von den Leuten verstanden werden.
Besser als ich es je könnte, sagt es der Text von „Weißt du noch“, für mich der Höhepunkt des Abends.
Komm nimm mich mit, zu jenem Ort
Dort wo die Zeit, immer verweilt.
Ein Augenblick, bringt uns zurück.
Weißt du noch, weißt du noch, weißt du noch?
Und sie haben ihn noch, ihren herrlichen Akzent, auch ein Markenzeichen der Rockmusik der ehemaligen Bruderländer. Dariusz konnte damit absolut punkten. Nicht nur bei mir stellte sich ein Gefühl von Heimat, Jugendzeit und Geborgenheit ein.
Viele der älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger am Bühnenrad waren ebenso bewegt und ich sah Tränen in den Augen.
Viele Titel von der CD „Rote Gitarren, die größten Erfolge“ hatten sie im Gepäck.
„Wir ziehen weiter“, „Sie heißt Anna“ und das wunderschöne „Auf dem Dach dieser Welt“ waren dabei. Es brannte der Wald und das Weiße Boot kam gleich zwei Mal vorbei.
Aber auch aus dem aktuellen Schaffen in Polen wurde gespielt und diese Titel waren rockig mit einem kleinen folkloristischen Einschlag. Wunderbare Sachen, eine prima Ergänzung zu dem Ausflug in die Historie.
Was ich total vermisst habe, war „Consuela“. Wenn ich mal einen Wunsch frei hätte, bitte diesen Titel in einem der nächsten Konzerte hierzulande. Die Roten Gitarren haben in Freiberg gezeigt, dass sie ein Stadtfest Publikum absolut begeistern können.
Es wird für mich schon bald ein Wiedersehen geben. Auf dem Hutberg in Kamenz bei der R.SA Rocknacht am 30.08.14 sind sie wieder dabei und als Sahnehäubchen auch noch Omega und viele andere Ostbands.
Wenn ihr wissen wollt, was die Roten Gitarren heute wirklich ausmacht, dann empfehle ich meinen Zusammenschnitt von verschiedenen polnischen und deutschen Titeln. Der zeigt, was im Programm ist. Das unvermeidliche „Weiße Boot“ habe ich natürlich auch mitgebracht.
Mit viel Beifall und Zugabe Rufen ging das grandiose Konzert der Roten Gitarren zu Ende. Aber die Band ist noch lange nicht am Ende, dessen bin ich mir sicher. Ich hoffe sehr, sie erhalten noch viele Auftrittsmöglichkeiten hierzulande.
Es war dann nachts um Eins, als die Ossis mit ihrem Mitmach - Programm den Ostrock Abend abschlossen. Alle Titel wurden lauthals mitgesungen. Als ich mich dann umdrehte, war ich platt. Vor der Bühne standen nur noch ganz junge Leute, die total textsicher waren. Das habe ich so noch nicht erlebt und ich komme wirklich viel rum. Alles, was gespielt wird, gerät nicht in Vergessenheit. Danke Ossis und Rote Gitarren.
RE: Die Roten Gitarren und die Ossis in Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 29.06.2014 19:52von Ingo • | 452 Beiträge | 972 Punkte
Mensch Petra, einfach klasse geschrieben. Richtig emotional. Man merkt, dass du die Czerwone Gitary nicht nur gut findest, oder magst, du liebst sie einfach.
Und deine Liebe zu ihrer Musik ist einfach ansteckend. Man bekommt nach deinem Beitrag richtig Lust, sie auch mal live zu erleben.
Schade, dass es bei mir im August nicht klappt, aber es gibt ja deine Youtube-Seite zum erfreuen.
Meine allererste eigene Single waren zwar die Roten Gitarren ("Weißes Boot"/"Piratenlied"), aber danach habe ich ihre Karriere nicht weiter verfolgt.
Dank Dir weiß man jetzt was aus der noch immer bekanntesten polnischen Band geworden ist. DANKE !!!
Alles was zu Ende ist, kann auch Anfang sein.
RE: Die Roten Gitarren und die Ossis in Freiberg
in Konzertberichte 2019 und älter 30.06.2014 17:05von Peggy • | 336 Beiträge | 707 Punkte
Als Kind habe ich "Weißes Boot" sehr geliebt, den Weg der Roten Gitarren aber nicht weiter verfolgt.
Danke für Deinen interessanten Konzertrückblick!
"Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse ..."
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