#1

2017 - (m)ein Rückblick nach vorn

in Bands, Musiker, Musikstile 29.12.2017 18:24
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

2017 – (m)ein Rückblick nach vorn (29.12.2017)

Das alte Jahr entlässt mich nachdenklich einerseits, aber auch demütig andererseits, ins kommende neue Jahresabenteuer. Es ist viel geschehen in meinem Leben, insbesondere in diesen letzten zwölf Monaten. Nicht alles möchte ich jetzt öffentlich machen, dafür lagen Freude und (Trennungs)Schmerz zu dicht beieinander und gehören deshalb nicht hierher. Aber einiges möchte ich mir dann doch von der Seele schreiben, als (Eigen)Therapie sozusagen und zum (Nach)Denken, wer möchte.

Vor über zwölf Jahren hatte ich Gleichgesinnte gesucht und in der Weite der digitalen Welt gefunden. Heute, da ein Individualisierungsmonster namens Gesichterbuch alle Forenaktivitäten unterdrückt und überflüssig gemacht zu haben scheint, viel Gemeinschaftsgefühl zerstört und Gedankenaustausch auf ein Minimallevel gesenkt hat, wächst in mir Widerspruch und Unwillen. Jeder kann noch so hässliche Fotos öffentlich machen und „Texte“ schreiben, denen sowohl Orthografie, als auch Grammatik völlig fremd, und meist von jeder Sachkenntnis frei, sind. Man lobt sich gegenseitig für jeden Schwachsinn, zählt mit Begeisterung all die vielen kleinen Häkchen darunter und selbsternannte Foren-Götter biegen sich ihre eingekaufte Plattform schön und maßgerecht, wenn es sein muss, gern auch platt. Man muss höllisch aufpassen, sich diesem Sog nicht selbst hinzugeben, ihn für den Nabel der Welt zu halten und in dieses Palaver einzusteigen. Gäbe es eine Alternative – aber das „Buch der Gesichter“ lässt einen ja nicht einmal ordentlich und schnell das eigene Profil löschen oder einfach nur aussteigen. Freiheit ist meist nur der Vorwand für neue (Besitz)Zwänge und digitale Formen von Gier. Bitcoins lassen grüßen und durch sie der digitalisierte „Mensch“. Jeder macht (scheinbar) Seins und folgt dennoch einem der vorgegeben Zwänge. Rom gab den Römern Spiele, uns verkaufen sie eine digitale Arena.

Sorry, ich finde das alles bescheuert, es vergällt einem die Freude und mit Musikgenuss hat das nichts zu tun. Mir ist nach Reißleine ziehen! Inzwischen haben sich die Puhdys selbst zerhackt, Electra zum Glück noch die Kurve hinbekommen, SIX hatten wohl auch die Schnauze (voneinander?) voll und Silly wird ANNAlytisch sortiert und chartgerecht ausgerichtet. Sie alle suchen neue Herausforderungen und Horizonte. Genau das ist, seitdem ich im Harz bin, auch mein Bestreben. Mein eigener Focus lag noch nie ausschließlich auf „Ostrock“, also Rockmusik mit Wurzeln im Osten, sprich DDR. Musik ist für mich, seit der Beatlemania, die universelle Weltsprache, ganz egal in welchem Dialekt sie erdacht, gesungen oder produziert wird und genau das lebe ich jetzt wieder viel mehr aus. In kleinen Clubs entdecke ich unbekannte Musiker aus Deutschland, Skandinavien, Polen, Kanada oder den USA und lasse mich auf deren Musik ein, gleich welche Schublade man ihr zuordnen möge.

Ich zehre von vielen emotionalen Stunden, die ich im auslaufenden Jahr miterleben durfte. Bei Procol Harum und der Stimme von Gary Brooker war ich noch einmal in meinen Teenager-Jahren unterwegs. Beim Konzert von Hannes Wader war ich, weil die echten Legenden immer seltener werden. Das Trio Benares hat mir geholfen, die Grenzen meiner musikalischen Wahrnehmung, mit einer Mischung aus Jazz und Musik aus Indien, weiter auszudehnen. Zu Pfingsten beim Victorianischen Picknick in Leipzig durfte ich erleben, dass Toleranz und Respekt gelebt werden können, ohne sich gleich gegenseitig zu verletzen. Der Spaziergang durch diese Menschenmenge schien mir wie ein Ausblick auf eine mögliche Zukunft der Menschheit in Vielfalt und Miteinander. Ich habe es genossen, auch ohne Musik. Wenn die emotionale Enge mich zu ersticken drohte, haben mich die dicht bewaldeten Berghänge im Harz leise aufgesogen, fand ich auf steinigen Pfaden in der Höhe frische Luft und wieder Überblick. Ich genieße diesen Luxus, von dem ich vor vier Jahren nicht einmal träumte. Und ich habe mir noch einmal eine zwölfsaitige Gitarre geleistet, denn selbst Musizieren ist das Allerschönste, auch wenn ich damit kein Publikum mehr erreichen werde. Es reicht mir, den zwölf Saiten meine Lieblingsmelodien zu entlocken und mich noch ein wenig auszuprobieren.

Andererseits: In meinem Umfeld verabschiedeten sich immer mehr Freunde und Musiker, national wie international, versetzten mich durch ihr Ableben oft genug in Trauerstimmung. Viele davon aus meiner Generation. Ich habe lernen müssen, mit all dem umzugehen und dann kam es doch noch schlimmer! Auf einmal war alles anders. Kopf hoch, Augen zu und durch ist dafür gewiss keine Option. Alles, was bisher Leben bedeutete, war plötzlich und ungefragt auf den Prüfstand gestellt und dennoch: Mit dem Leben geht es weiter und man beginnt zu fühlen, dass außer Rockmusik und Bühnenrand noch andere Dinge wichtig sind. Ich denke heute, „Leben sollte sein, wie ein Gespräch unter Freunden“.* Darauf will ich versuchen, mich zunehmend einzustellen, denn ein „einfach weiter so“ hat schlicht keinen Reiz und erst recht keinen Sinn mehr. Dieses neue Jahr wird also einer anderen Agenda folgen. Ich möchte noch ein wenig Neues entdecken, statt am „einfach weiter so“ zu klammern: „But I was so much older then, I’m younger than that now.“, so sang Bob Dylan bereits 1964 in „My Back Pages“. Wie recht der Typ doch hatte! Wer jetzt meint, ich würde alt, der irrt. Ich werde gelassen, vielleicht auch weise und deshalb gönne ich mir eine kleine PAUSE. Oben im Harz liegt bald viel Schnee und Lily liebt Schnee.

* Zitat aus dem Film „Die Hütte – ein Wochenende mit Gott“ (2007) von William P. Young


www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
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#2

RE: 2017 - (m)ein Rückblick nach vorn

in Bands, Musiker, Musikstile 31.12.2017 10:07
von SN-Nittel | 329 Beiträge | 724 Punkte

Hallo Hartmut und Gruß in die Runde....
Ja, es ist Silvester und auch die Zeit zum Nachdenken.
Ich kann viele deiner Worte verstehen. Die Oberflächlichkeit hat sehr zugenommen. Auch Dank Facebook und Co.... Leider.
Jeder muss aber seine Lehren daraus ziehen.
2017, das Musikjahr hat wieder die Bandbreite erweitert...immer mehr...aber Spitzenklasse war in meinen Augen sehr dünn gesäht an neuen Sachen.
Trotzdem habe ich tolle Events, gute Konzerte und schöne Abende besonders Live erlebt.
Ich möchte hier keines Hervorheben. Kracher-Neuveröffentlichungen auf CD waren eher sehr sehr selten. Ich zerre irgendwie an den alten Sachen.
Zum Thema Ostrock möchte ich mich nicht so äussern. Es gab da schon Enttäuschungen. Besonders von Bands die eigentlich früher das TV bereichert haben. Schade teilweise.
Leider bestimmt auch immer mehr der Markt, das Geld...wohin die Reise in der Musik geht. Ok, man muss aber auch nicht alles mitmachen und sollte sich auf Dinge besinnen, die vom Herzen kommen.
Das gilt auch für manche Musiker. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn 2018 man wieder Musikfreaks auf Festivals, Konzerten oder irgendwo trifft.
Positiv waren wiedermal die Auftritte von Delta Moon, Wille an the Bandits, Aerosmith, EBE, Driftwood Holly, Tino Standhaft oder Kirsche und Co. Auch ein dickes Lob an die Veranstalter vom Rockclub Frohburg, Altzella, Vollmershain oder Lichtentanne.
Die Zeit bleibt nicht stehen und darum....Freuen wir uns auf ein gutes Musikjahr 2018. Vielleicht gibt es die eine oder andere positive Überraschung für Jeden.
Bleibt schön gesund....und lasst uns auch die alten Sachen nicht Vergessen.

zuletzt bearbeitet 31.12.2017 10:17 | nach oben springen

#3

RE: 2017 - (m)ein Rückblick nach vorn

in Bands, Musiker, Musikstile 31.12.2017 16:15
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Auch ich hatte mir vor einigen Tagen so meine Gedanken gemacht (allerdings nur auf meinem Facebook-Seite).
Wir liegen da mit unseren Beobachtungen, Empfindungen usw. gar nicht so weit auseinander. Auch ich habe für eine Weile die Bremse ganz angezogen. Für die Zukunft nehme ich mir auch vor,
mitein paar Ruderschlägen weniger und gemächlicher über das Livemusikmeer zu schippern. Das heißt konkret auch, dass ich den einen oder anderen Bericht weniger schreiben werde.

Ja, die Zeiten haben sich geändert, vieles ist schnelllebiger und oberflächlich geworden. Das tut schon manchmal auch weh zu sehen, dass viele der kreativen SchreiberInnen aufgeben und sich zurückziehen.
Umso dankbarer bin ich für Wegbegleiter wie euch.

Musikalisch war das Jahr 2017 insgesamt gesehen nach meinen Beobachtungen gar nicht so schlecht. Ich habe zahlreiche tolle Konzerte erlebt. Ich hoffe, 2018 wird ein ähnlich spannendes Jahr. Auch ich wünsche mir aber wieder mehr reale Begegnungen von uns Fans bei den Muggen.

Aber jetzt wollen wir erstmal den Jahreswechsel feiern. Den einen oder anderen Schluck werde ich heute auch auf euch trinken ;-)

Guten Rutsch, ihr "Verrückten"!

Gruß Kundi


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#4

RE: 2017 - (m)ein Rückblick nach vorn

in Bands, Musiker, Musikstile 31.12.2017 17:53
von genitiv64 | 196 Beiträge | 450 Punkte

Ich hätte gern ein paar mal mehr bezahlte Musik erlebt, aber wenn der Kuno, der jetzt ja hier auch Mitglied ist, seine Veranstaltungen auf den Donnerstag, Freitag oder Sonntag legt, da ist es schwierig zu sagen ich komme, wenn der Wecker 5.00 Uhr klingelt und ich frühestens 18.00 zu Hause bin. Sei´s drum. Ich wollte noch einen Gedanken aufgreifen. Ich bin früh meistens gezwungen, MDR Jump mit anzuhören, wenn ich mich mal durchsetze, ist es MDR 1. Mit DT64 oder dem Treffpunkt von RIAS 2 ist das nicht mehr zu vergleichen. Auf dem einen dudelt Musik, die ich nicht mehr verstehe, oder verstehen will, auf dem anderen dudeln in der Endlosschleife Oldies aus England. Wenn ich es damals nicht so gehört habe, ich wünschte mir mal einen Song von Ralf Bummi Bursy (Warten in der Dunkelheit, Du machst mich verliebt, Das sind die Jungs mit dem Wind im Gesicht ...) oder einen Song von Katrin Lindner, oder Transit, oder Lift, oder Prinzip oder .... Als ob die Redakteure beim MDR nicht von hier wären. Würde mehr Musik aus unserer Region gespielt, dabei ist es unerheblich ob neue Bands oder die alten Bands, "unsere" Musiker würden die Tantiemen bekommen. Unsere Musiker würden gefördert, unsere Studios würden gebucht. Von unseren Gebühren würden unsere Künstler gefördert. Die Musikindustrie in unserer Region würde gefördert. Von unseren Rundfunkgebühren würde mehr hier bleiben. Aus diesem Grund bin ich für eine Quote, 60:40, besser 70:30, um nicht zu sagen 100 %. Bei der Quote meine ich aber auch noch die ehemaligen Bruderländer. Die Songs von Omega, Zsuzsa Koncz, das ist zeitlos. Oder erinnert sich noch einer hier z.B. an Vaclav Neckars mit Nautilus? Oder Maryla Rodovicz? Oder 3+1 mit Schlafe ein und fang die Träume (gecovert von den Pudhys)? Na ja, wahrscheinlich sollten wir selber ein Instrument in die Hand nehmen und die Songs selber singen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

Euch allen da draußen ein gesundes neues Jahr 2018, viele Grüße und alles Gute!

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#5

RE: 2017 - (m)ein Rückblick nach vorn

in Bands, Musiker, Musikstile 12.01.2018 18:23
von Mary | 327 Beiträge | 726 Punkte

Für mich ist und bleibt jede "PERSÖNLICHE" Begegnung und das Reden miteinander, DAS WIRKLICHE LEBEN!
Ich hoffe, mein lieber HH, auch wir können das noch irgendwann einmal...
Meinen lieben Querkopf Wodka traf ich wie immer im Januar in LE...
Denkt was Ihr wollt, es gibt Dinge, die verbinden... und das für IMMER!!!
Knuddel und alles Gute für Dich Wodka!

Angefügte Bilder:
LE9.jpg

"Ihr lacht weil ich anders bin. Ich lache, weil Ihr alle gleich seid."
Kurt Cobain
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