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LIFT live bei Höffner in Magdeburg

in Konzertberichte 2019 und älter 28.07.2017 19:10
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

Lift höffnert live in Magdeburg (27.07.2017)

Die großen Supermärkte mag ich ebenso wenig, wie deren endlos langen Regalreihen. Ich stehe vor der üppigen Fleischtheke und habe vergessen, dass ich eine stinknormale Jagdwurst kaufen wollte. Aus dem gleichen Grund gehe ich auch nicht so gern zu denen von „Ich bin ja nicht blöd“, weil, ich bin’s ja nicht! Denke ich jedenfalls, obwohl ich neulich auch dort war, um den „Qartermaster“ beim Musizieren zuzuhören. Aus genau so einem Grund stehe ich heute im Norden Magdeburgs vor einer neuen Filiale von Höffner. Die „alte“ am südlichen Stadtrand ist längst verlassen, ab heute findet der Kaufrausch im Norden statt. Die entmöbelte Käuferschar feiert natürlich, endlich wieder Möbel kaufen zu können. Die meisten da drinnen, ich allerdings draußen, denn der Möbelgigant hat sich den Luxus einer Legende aus den frischen Landesteilen geleistet. Die wird uns vor der neu renovierten Filiale ihre alten Weisen präsentieren. Deshalb sind wir ja hier. Mein Weib testet drinnen neues Sitzmobiliar, das Geld kosten wird, ich genieße die schönsten Rock-Balladen von LIFT, die der Möbelriese bezahlt. Wir wollen Freude und Leid teilen, hatten wir uns geschworen, und diese Kapelle gehört ganz eindeutig zu meinen Freuden.

Drei Tage lang hatte es im Harz vom Himmel geschüttet, was der angesammelt hatte. Regenmassen von Goslar bis Blankenburg strömten die Berghänge hinab und sammelten sich zu reißenden Strömen. Auch beim Losfahren in Halberstadt ließen die Wolken ihre Muskeln spielen und selbst vor der Bühne in Magdeburg bleiben Hemd und Haare nicht trocken, drohen Wolkenwände über dem Gewerbeareal. Einige Plätze vor der Rampe müssen wohl auch deshalb leer bleiben, denn viele im fernen Derenburg, in Harsleben oder Bad Harzburg stehen in diesen Stunden noch knietief im nassen Element, fürchten um Hab und Gut, führen gegen einst scheinbar harmlose kleine Rinnsale einen verzweifelten Kampf, mit Wut im Bauch und Schaufeln in den Händen.

Genau daran muss ich denken, als die Mannen um Werther Lohse auf die Bühne steigen, die Akkorde über ein Meer von Fahrzeugdächern schwappen. „Und es schuf der Mensch die Erde“ singt das letzte Originalmitglied von LIFT und weiter, „das er daran zum Menschen werde“ – er singt von eben diesem Mensch-Sein der vergangenen Tage, vom gegenseitigen Helfen und Unterstützen. Schön, dass Lieder solche Botschaften verbreiten können und ich stehe, gemeinsam mit einigen anderen Verrückten, vor dieser Bühne und spüre die Emotionen, die in diesen Tagen besonders wichtig sind. Vielleicht einer der Gründe, weshalb „Ost“-Lyrik in mir anders wirkt, so wie die Zeilen „Nach Süden“ einst ganz andere Assoziationen auslösten, als offiziell gewünscht: „Nach Süden, nach Süden, wollte ich fliegen, das war mein allerschönster Traum“. Von dieser Musik geht noch immer eine Faszination aus, die nur schwer zu beschreiben ist und die ich heute, vor dieser Möbelriesen-Bühne stehend, genießen kann.

Mein letztes Konzert mit LIFT ist nun auch schon wieder zwanzig Monate her. Damals stand mit Jens „Jenne“ Büssow noch der langjährige Bassist der Band auf der Bühne, den eine schwere Erkrankung zwang, den Bass (vorläufig) an den berühmten Nagel zu hängen. Auch daran, und also an ihn, denke ich in diesen Minuten, da Peter Rasym bei LIFT die dicken Saiten zupft und schlägt. Es sind so viele Gedankengänge möglich, wenn ich mich den Liedern, wie dem von der „Falschen Schönen“ oder vom „Fahren über das Meer“, hingebe. Das sind Inhalte, die rein gar nichts mit N(O)stalgie zu tun haben, aber noch immer und beharrlich uns im Heute eine Menge zu erzählen haben. Das ist auch jetzt so, während hoch oben bunte Ballons mit noch bunteren Werbebannern sich als Zeichen einer anderen Zeit im Wind wiegen. Werbung ist eine Wirtschaftsgröße, so wie Rockmusik eine Industrie geworden ist. Das allerdings ist schon wieder ein völlig anderes Thema.

Ich genieße es einfach, dem ehemaligen Puhdys-Bassisten bei seinem Solo auf die Finger zu schauen und wie der dabei mit Falk Möckel, dem ehemaligen Electra-Drummer, musikalisch kommuniziert und beide dabei ihren Spaß haben. Werther Lohse singt die Ballade vom „Wasser und Wein“, das die einen predigen, vom „Wir schaffen das!“ sprechen, aber eigentlich „UNS“ meinen. Die Musik von LIFT klingt beinahe wieder wie in alten Tagen, seitdem sich Werther Lohse mit Tasten und Saxophon umgeben hat, auch wenn er natürlich bei „Mein Herz soll ein Wasser sein“ die Stimme von Stephan Trepte nicht ersetzen kann und will. Es genügt, dem Klang zu folgen oder einfach nur mitzusingen, wie es einige im kleinen Chor vor der Bühne mit mir versuchen und sich vielleicht bei „Am Abend mancher Tage“ in Gemeinsamkeit gut aufgehoben fühlen.

Nach einer knappen Stunde Kurzkonzert spüren wir den Rhythmus der „Tagesreise“ zum Ausklang. Noch einmal stöhnen die Keyboards ihre Akkorde, animieren uns Bass und Drums zum Mitklatschen. Wie schön, für eine reichliche Stunde ein paar Sorgen einfach abgehängt oder ausgeblendet zu haben. Wie schön, dass die „ollen Kamellen“ noch immer live erklingen. Danach ist der letzte Ton verklungen und beim Möbelgiganten werden die Türen geschlossen. Wieder nichts gekauft, aber wieder Livemusik gehört, die uns Kraft und Zuversicht gibt, kommende Anforderungen zu meistern. Genau dafür hat es sich gelohnt, vor dem roten Betonklotz zu stehen und Regen abzubekommen. Der Kopf ist wieder frei und die Piste nach Hause leer – mit Volldampf den kommenden Hürden entgegen und dann darüber hinweg!

Angefügte Bilder:
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www.mein-lebensgefuehl-rockmusik.de
zuletzt bearbeitet 28.07.2017 19:11 | nach oben springen

#2

RE: LIFT live bei Höffner in Magdeburg

in Konzertberichte 2019 und älter 29.07.2017 13:12
von Kundi | 3.250 Beiträge | 7335 Punkte

Ich hätte auch gerne mal mit LIFT und Falk Möckel gehöffnert.
Das hat man ja auch nicht alle Tage.

Danke für Deine Wort- und Bildeindrücke, lieber Hartmut.

Gruß Kundi


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