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THE US RAILS live in Lauchhammer OSL

in Konzertberichte 2019 und älter 18.05.2014 19:42
von HH aus EE | 1.042 Beiträge | 2522 Punkte

The US Rails im Real Music Club OSL (17.05.2014)

Es ist die gleiche, ab und zu immer einmal wiederkehrende Geschichte. Ein paar Musiker treffen sich und stellen fest, dass sie ähnliche Vorstellungen haben. Obwohl eigentlich solistisch tätig oder fest in andere Projekte eingebunden, beschließen sie, gemeinsam etwas auf die Beine zustellen. Jeder der Beteiligten nimmt sich selbst ein kleines Stück zurück und stellt seine Fähigkeiten als Songwriter, als Instrumentalist und als Sänger hinten an. Der Star ist die Band, Egotrips einzelner bleiben außen vor. Das machten schon Cream und Blind Faith so, das geschah, als sich Crosby, Stills, Nash und Young zusammen taten und auch die Traveling Wilburys sind auf diese Weise entstanden. Am Ende war es immer die gemeinsam gespielte Musik, die Fans und Kritiker gleichermaßen überzeugte und sicher liegt es daran, dass der Spaß, statt das Drängen nach Erfolg im Vordergrund standen.

Genau so etwas ist unter dem Dach von Blue Rose geschehen. Das in Deutschland beheimatete Lable vereinigt und betreut amerikanische Musiker, vorzugsweise aus dem Americana- und Roots Umfeld. Der Singer & Songwriter JOSEPH PARSONS ist einer von ihnen und hat mit SCOTT BRICKLIN (bass) und BEN ARNOLD (keyb, guit) zwei weitere Sänger und gestandene Instrumentalisten an seiner Seite. Zu dem Trio gesellen sich TOM GILLAM (guit), der schon vorher mit Parsons gearbeitete hatte, sowie MATT MUIR, ein singender Drummer. Damit waren THE US RAILS, eine Kollaboration exzellenter Solisten, komplett. Die Band ist eine kompakte Fusion individueller Instrumentalisten, die durchweg alle auch als Sänger überzeugen und sich selbstbewusst in der Tradition von Crosby, Still, Nash & Young und des amerikanischen Folk-Rock sehen.

THE US RAILS waren mir bisher nur dem Namen nach bekannt, weil ich wusste, dass sie einmal im Real Music Club von Lauchhammer – OSL – auf der Bühne standen. Der kleine Club, von dem mich keine halbe Stunde Autofahrt trennt, schafft es immer wieder, interessante Konstellationen auf die Bühne zu bekommen. Deshalb leiste ich mir ab und auch an das Vergnügen, dort am Bühnenrand zu stehen, guter handgemachter Musik zu lauschen und für mich Neues zu entdecken. Will man noch die urbane Lust am Rock’n’Roll, gleich welcher Spielart, erleben, dann muss man in die kleinen und engen Klubs eintreten, wo man die Musiker noch mit Handschlag persönlich begrüßen und viel später noch gemeinsam ein Bier trinken kann. Manchmal trifft man dann sogar auf die Schwester des damaligen Drummers von Led Zeppelin oder einen Gitarristen an der Seite von Eric Clapton, um zu schwatzen.

Vor das Bier und den Schwatz als Dessert hat der Veranstalter in Lauchhammer drei Musiker namens DEAD MAN’s HAND als Vorspeise gebucht. Die drei Musiker aus Leipzig, versuchten mit ihrer eigenen Mischung aus Rockabilly und Folk die gut gefüllte Hütte auf das nachfolgende Konzert einzustimmen. „Des toten Mannes Hand“ gaben sich auch alle erdenkliche Mühe, haben es dennoch nicht geschafft, meine Begeisterung zu wecken. Nur zwei Mal, als sie „The Night McMurphy Died“ und später „Mary’s Wedding“ mit Akkordeon, Bass und Gitarre singend zum Besten gaben, fühlte ich mich innerlich in Schwingungen versetzt. Doch da habe ich schon längst den US RAILS entgegen gefiebert. Schade.

Schon von der ersten Sekunde an war zu spüren, dass der Abend ein Ohrenschmaus werden würde. Vor mir stehen fünf Vollblutmusiker, die nur darauf zu warten scheinen, endlich ihre Energie von der Bühne lassen zu dürfen. MATT MUIR und SCOTT BRICKLIN an den Drums und dem Bass lassen es grooven, die Gitarre von TOM GILLAM klingt der von Steven Stills zum Verwechseln ähnlich und die Stimmen mischen sich zu Harmonien, die von Beginn an die Ohren verwöhnen. Songs wie „Devil In My Hand“ oder „Heart Don’t Lie“ versprühen genau jenes faszinierende Gefühl, wenn Folk sich mit Rock zu süßen Harmonien auf ruppigen Grooves und Breaks vereint. Manchmal ist es die warme Baritonstimme von JOSEPH PARSONS, die mich dezent an Don Henley erinnert und dann wieder der expressive Gesang des Gitarristen mit der wallenden Löwenmähne vor mir. Der Sound ist druckvoll und dennoch kann ich selbst direkt vor der Rampe jede noch so winzige Nuance wahrnehmen und genießen. Spätestens bei „Eagle & Crow“ bin ich vor Begeisterung hin und weg.

Es dauert nicht lange und denen da vor mir ringt der Schweiß über die Gesichter. Aber je schwüler die Luft wird, umso explosiver und dichter wird auch das Spiel der US RAILS. Der kleine Mann hinter der Schießbude treibt den vor ihm agierenden Bassisten an und der wiederum schafft es, mit den vier dicken Saiten ein wahres Gewitter zu entfachen, spontane Luftsprünge inklusive. Die Band rockt und groovt, dass es Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Und dann gibt es schon mit dem nächsten Song die Momente, in denen die Gesangsharmonien von vier gänzlich unterschiedlichen Stimmen und einem Leadsänger sich zu einem berauschenden Ganzen fügen. Dann klingt so ein Lied wie „Don’t Take Me Now“ einfach nur zauberhaft schön, erinnert mich an die wunderbaren Zeiten von C, S, N & Y und findet doch gerade in Lauchhammer OSL statt. Das gleiche Gefühl habe ich bei den Klängen von „Fearless“, das mich gesanglich wieder an Don Henley von den Eagles erinnert und bei dem kräftig rockenden „Shine Your Light“ geht es mir ebenso.

Der vielleicht unauffälligste in der Band ist BEN ARNOLD an den Tasten, der auch gern einmal zur Akustikgitarre greift und dann mit einer markant rauchigen Stimme Songs wie „Drag Me Down“ oder „You’re My Home“ einen ganz eigenen warmen Sound verleiht, der sehr intensiv, beinahe soulig klingt. Auch wenn man jeden der Sänger an seinem Timbre, maul rauchig, mal hell, gut erkennen kann, ergibt sich immer wieder neu ein harmonischer Gruppenklang, wie man ihn heute nur noch äußerst selten, mit Folk-Elementen gespickt, zu hören bekommt. Für mein Empfinden macht genau das den besondern Reiz der US RAILS aus. Da klingt es bei „Love Reaction“ plötzlich amerikanisch funky, um dann plötzlich bei „Old Song On the Radio“ fast melancholisch und zart über die Rampe zu kommen. Bei „Heartbreak Superstar“ kommt sogar so etwas wie Rockabillystimmung und auch etwas Südstaaten-Flair auf. Langeweile ist da völlig ausgeschlossen, erst recht, wenn der Mann am Bass an das vordere Mikrofon tritt und dort zuweilen förmlich explodiert. In der ersten Reihe versuchen einige sogar, trotz der Enge, einige Tanzschritte zu machen. In der Mittagsnachtsstunde ist die Party im Real Music Club im vollen Gange. Das ist auch genau der Augenblick, da ich mich freue, wieder einmal den Schritt in unbekanntes musikalisches Terrain gewagt zu haben.

Wenn ich richtig mitgezählt habe, gab es bis nach Mitternacht weit über zwanzig Songs von gänzlich unterschiedlicher Machart zu hören, aber alle irgendwie doch aus einem harmonischen Guss. Darunter solche Feger wie „18 & Lonely“ oder, schon als Zugabe, das wunderschöne „Lucky Star“, quasi das Bekenntnis der Band, warum jeder einzelne von ihnen sich in der „Band als der Star“ aufgehoben und glücklich fühlen. Diese Melodie ist mir, wie eine Visitenkarte der Band, im Ohr hängen geblieben. Es ist schon faszinierend zu erleben, wie bei diesem Song jeder der Beteiligten eine der Strophen singt, um dann mit den anderen im Refrain, symbolträchtig und sehr harmonisch, gemeinsam zu erklingen. Eine weitere Besonderheit ist wohl auch, dass es die US RAILS schaffen, ihre Lieder mit blumigen und eingängigen Melodiebögen zu verknüpfen, die man beim Hören schon immer zu kennen meint, ohne dass die Musiker dabei in triviale Muster zu verfallen oder sich instrumental zu verzetteln. Da paart sich besonderes Können mit außergewöhnlicher Disziplin, die beide dem Konzertjunkie vor der Bühne das angenehme Gefühl von Leichtigkeit vermittelt.

Einen Teil vom Dessert habe ich mir zur frühen Morgenstunde auch noch genehmigt. Ein wenig Small-Talk mit den Musikern und deren Signaturen zur Erinnerung. Auf das gemeinsame Bier allerdings habe ich verzichtet. Die Musik der US RAILS und deren Begeisterung, zu musizieren, hallen noch in meinen Ohren nach. Sollten die fünf Amis irgendwann und irgendwo wieder einmal meinen Weg kreuzen, bin ich sicherlich wieder einer von denen, die am Bühnenrand stehen werden.

Angefügte Bilder:
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zuletzt bearbeitet 18.05.2014 19:45 | nach oben springen


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